Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
als könntest du das Fahrzeug allein mit deiner Körperkraft zum Anhalten zwingen. Ich trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Das genügte. Schreiend taumeltest du rückwärts in den Dreck. Der Seitenspiegel baumelte an ein paar Drähten herunter und knallte immer wieder gegen das Auto. Ich hörte dein Gebrüll hinter mir, deine Stimme klang heiser und verzweifelt.
Und dann lag nur noch Offenheit und Weite vor mir. Ich schlug das Lenkrad ein und steuerte auf die Hügelschatten am Horizont zu. Durch die plötzliche Bewegung geriet der Wagen kurz ins Schleudern und der Motor heulte, als er sich durch den Sand kämpfte.
»Bitte«, flüsterte ich. »Bitte bleib nicht stecken.«
Sicherheitshalber gab ich weiter Vollgas. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Du standst immer noch brüllend da und strecktest die Arme in meine Richtung. Dann ranntest du auf einmal wieder hinter dem Auto her und schlugst dabei wie ein Wahnsinniger wild in die Luft.
»Nein!«, schriest du. »Das wirst du bereuen, Gemma.« Du schnapptest deinen Hut und warfst ihn dem Wagen hinterher; dann bücktest du dich, hobst Steine, Stöcke, alles, was du kriegen konntest, auf und schleudertest es in meine Richtung. Ich spürte den Aufprall, als ein paar von den Steinen gegen den Kofferraum knallten. Deine Schreie waren roh, wie die von einem wilden Tier … Du hattest komplett die Kontrolle verloren. Ich biss die Zähne zusammen und trat weiter aufs Gaspedal. Dann spritzte ein Stein von einem der Reifen weg und der Wagen begann auszubrechen. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Du warst zum Werfen in die Knie gegangen und zieltest jetzt direkt auf die Reifen, als wolltest du sie zum Platzen bringen. Aber ich ließ den Fuß einfach durchgedrückt und bewegte mich immer weiter von dir weg.
Ich würde mich auf keinen Fall von dir aufhalten lassen.
Der Wagen holperte über Land, immer wieder stieß er gegen Steinbrocken und Spinifexbüschel. Ich schaffte es trotzdem, dafür zu sorgen, dass er einigermaßen geradeaus fuhr, immer auf die entfernten Schatten zu, wo ich die Bergwerkssiedlung vermutete. Ich hätte in einen höheren Gang schalten sollen, aber ich traute mich nicht. Erst musste das, wovon ich wegwollte, in sicherer Entfernung hinter mir liegen, dann würde ich alles andere auch hinkriegen. Die Strapaze ließ den Wagen ächzen und stöhnen. Du hast es auch gehört; das Kreischen des Motors muss dich zerrissen haben.
Die Gebäude wurden immer kleiner, während ich fuhr, und schließlich konnte ich auch deine Gestalt nicht mehr im Rückspiegel sehen. Ich fing an loszuschreien. Unmöglich zu sagen, was ich da schrie. Ich hatte es geschafft! Ich war hier draußen, allein … ohne dich. Ohne irgendwen. Ich war frei. Ich fuhr aufs Nichts zu … ich fuhr auf alles zu.
Ein paarmal erwischten die Räder zu viel Sand und drohten stecken zu bleiben. Ich zog die Maschine energisch hoch, wie du es gemacht hattest. Der Wagen war jedes Mal stark genug, um sich wieder herauszuziehen. Als es anfing, verbrannt zu riechen, schaltete ich hoch. Das hier war ein echter Crashkurs, garantiert hatte noch nie irgendjemand so schnell Autofahren gelernt. Dad hätte einen Herzinfarkt gekriegt, wenn er mit mir im Auto gewesen wäre. Ich guckte auf die Tankanzeige. Sie stand haargenau in der Mitte, der Tank war also halb voll. Oder halb leer, je nachdem. Die Temperaturanzeige spielte verrückt, hüpfte hin und her und bewegte sich immer weiter ins rote Feld. Was wahrscheinlich bedeutete, dass der Wagen heiß lief. Eins war mir jedenfalls klar: Ich machte dein Auto gerade fix und fertig.
Ich versuchte auszublenden, was auf dem Armaturenbrett vor sich ging, und fuhr einfach weiter. Ich schaute immer ganz genau geradeaus, konzentrierte mich auf die Schatten, die am Horizont schimmerten. Das Land erstreckte sich immer weiter, endlos. Keine Pisten. Keine Strommasten. Nichts deutete darauf hin, dass hier irgendwann mal ein Mensch gewesen war. Keiner außer mir.
Irgendwann kam ich zu den Schatten. Bloß war es nicht die Bergwerkssiedlung, auf die ich gehofft hatte, und auch keine Reihe fruchtbarer Hügel. Es waren lang gestreckte, hohe Wellen von Sand. Sanddünen, vom Wind aufgehäuft und durch ein paar spärliche Pflanzen zusammengehalten. Das war mir schon klar, bevor ich dort ankam, trotzdem hatte ich einfach weiter auf sie zugehalten. Keine Ahnung, warum. Wahrscheinlich, weil es mir besser vorkam, als ins flache Nichts zu fahren, das überall
Weitere Kostenlose Bücher