Ich würde dich so gerne kuessen
Lachen aus.
Dann greift einer zur Gitarre, dreht die Musik aus und stimmt ein Lied an, eine Ballade. Ich hole mir noch ein Bier und stelle mich in den Türrahmen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Die Leute sitzen in Grüppchen auf dem Boden, lassen die Weinflasche rumgehen. Einige Mädels stecken die Köpfe zusammen, flüstern und kichern. Jeffer hat es sich wieder auf dem Sofa bequem gemacht und isst die restliche Pizza auf. Eine Frau setzt sich zu ihm, spricht ihn an und deutet mit dem Kopf zu mir herüber. Jeffer grinst nur.
»Bist du seine neue Schnecke?«, fragt mich ein langhaariger Typ im gestreiften Hemd, der sich lautlos hinter mich gestellt hat.
»Und wer bist du?«
»Edgar, Jeffers bester Freund«, stellt er sich vor und reicht mir die Hand.
»Na, wenn du sein bester Freund bist, dann müsstest du doch wissen, ob ich seine Schnecke bin, oder nicht?«
»Sei nicht gleich angepisst, war bloß ’ne Frage.«
»Schon gut.«
»Wie heißt du?«
»Frieda.«
»Wie Frieda Kahlo. Ich habe den Film gesehen, Salma Hayek ist heiß!«
»Ne heiße Schnecke, oder?«, frage ich grinsend.
»Auf jeden Fall!«
Dann schweigen wir eine Weile und hören dem Gitarrenspieler zu. Ich bedauere wieder einmal, dass ich kein Instrument spielen kann. Ich kann nicht einmal singen. Dabei kann man seine Gefühle so richtig ehrlich, glaube ich, nur durch Musik ausdrücken. Auf jeden Fall ist Musik die schönste aller Künste, die intensivste, die gewaltigste.
»Kommst du jetzt öfter hierher?«, fragt Edgar.
»Möglich. Ich wohne jetzt bei Jeffer.«
»Ah?«
»Nur für zwei Wochen.«
»Dann bist du die Cousine!«
»Welche Cousine?« Mann, das wird hier echt immer komplizierter!
»Nicht? Ich dachte, seine Cousine sollte … ah, na ja, er hatte gesagt, er würde sie mir vorstellen.«
»Bist du auf Brautschau?«, zwinkere ich ihm zu.
»Brautschau? Wo kommst du denn her? Aus einem Tolstoi-Roman?«
Ich muss laut lachen, er ist mir sympathisch, es macht Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Eine echte Abwechslung gegen diese ganzen unentspannten Mädels. Mit Edgar könnte ich gern den ganzen Abend verbringen. Aber dann steht plötzlich Kiki in der Tür, zieht mich am Arm zur Seite und drückt ihn dabei einen Tick zu fest.
»Tut mir leid, das vorhin«, sagt sie und hält Ausschau nach Jeffer.
»Du musst dich nicht bei mir entschuldigen.«
»Wollen wir uns setzen?«, fragt Kiki und zieht mich weiter in eine Ecke, wo wir uns auf Kissen setzen.
»Ich hatte das Gefühl, vorhin irgendwo reingeplatzt zu sein«, gestehe ich ihr.
»Komisch, dasselbe Gefühl hatte ich auch.«
»Ich will nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht. Ich will mich nicht irgendwo dazwischendrängen.« Jetzt weiß sie wenigstens Bescheid.
»Du kannst da nichts für. Ich mag dich, wirklich«, versichert sie mir.
»Wo ist dann das Problem?«
»Jeffer spielt mit uns«, flüstert sie und sieht sich nervös um.
»Mit wem?«
»Mit uns allen.«
»Darf ich dich mal was fragen?«
»Nur zu.«
»Bist du nicht eigentlich schon zu alt für solche Spielchen? Ich meine, du bist doch eine erwachsene Frau, und das hier ist fast noch ein Kindergarten, so wie sich einige hier benehmen.«
Kiki lächelt, antwortet aber nicht. Jeffer winkt zu uns herüber. Ich winke vorsichtig zurück. Kiki dreht ihm den Rücken zu.
»Du bist also nicht verliebt in den, sagst du?«, fragt Kiki.
»Nein.«
»Dann bist du eben ein Glückspilz, wenn das eine Antwort auf deine Frage ist.«
»Ich verstehe das nicht. Alle spielen verrück wegen Jeffer. Was ist er schon? Ist doch nur ein halbwegs gut aussehender, junger Typ.«
»Und warum ziehst du bei ihm ein?«
Diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten.
»Ich weiß nicht … ich will mal ausprobieren, wie es sich anfühlt, alleine zu wohnen und in den Tag hineinzuleben … na, diese Dinge eben, die man nicht machen kann, wenn man noch bei seinen Eltern wohnt.«
»Weißt du, was ich glaube?«
»Nein.«
»Ich glaube, du bescheißt dich selbst ganz gewaltig. Ich glaube, dass Jeffer dich genauso in seinen Bann gezogen hat wie alle anderen hier. Ich glaube, er wird dir das Herz brechen. Und das tut mir jetzt schon leid.«
»Es ist echt nett von dir, dass du dir Sorgen um mich machst, aber ich komme wirklich schon alleine zurecht.« Kiki übertritt bei mir ständig eine Grenze. Ich will gar nicht so vertraut mit ihr sein.
Trotzdem machen mir ihre Worte Angst. Irgendwie ist plötzlich alles viel komplizierter als bisher.
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