Ich würde dich so gerne kuessen
Stirn kräuselt.
»Nein … wieso … ich meine, wie kommst du darauf?«, stottere ich blöd vor mich hin.
»Du hast mich damals auf der Oberbaumbrücke ganz schön blöd dastehen lassen.«
»Ach Mensch, nein, ich … ich musste pinkeln, und dann kam die Polizei, und alle sind losgerannt, ich dachte, du wärst weg oder so.« Warum rechtfertige ich mich eigentlich?
»Tja, ich hab gedacht, du kommst wieder«, sagt sie ein bisschen beleidigt.
»Tut mir echt leid.«
»Ich bin dir trotzdem auf die Nerven gegangen.«
»Ein bisschen vielleicht«, gebe ich zu.
»Warum?«
»Weil alle mir ständig was über Jeffer erzählen wollten. Ich habe nie danach gefragt.«
»Komisch, sonst fragen alle nach ihm«, lacht sie.
»Den Eindruck habe ich auch.« Ich lächle als Zeichen der Versöhnung.
»Du fragst dich bestimmt, was so eine alte Frau wie ich von ihm will.«
»Du bist nicht so alt.«
»Aber im Vergleich zu Jeffer schon.«
Ich sage nichts.
Wir setzen uns an den Küchentisch, auf dem zwei Gläser Wein stehen. Ich frage mich, wann Jeffer wohl wiederkommt, ich habe keine große Lust, zu lange mit Kiki alleine zu sein.
»Vielleicht liebe ich ihn«, sagt sie ganz leise.
»Weißt du, Kiki, ich weiß nicht, ob ich der richtige Mensch bin, um mit dir diese Unterhaltung zu führen.« Nein, ich bin mit Sicherheit nicht der richtige Mensch!
»Niemand möchte diese Unterhaltung mit mir führen.« Ein spöttisches Lächeln macht sich auf ihren Lippen breit.
»Wahrscheinlich gibt es Gründe dafür.«
»Wie alt bist du?«
»Siebzehn.«
»Siebzehn. Ach Gott, das ist gut. Ich erinnere mich nicht mehr besonders daran, wie es sich angefühlt hat, siebzehn zu sein.«
»Jeffer hat mir erzählt, du hättest Jimi Hendrix live gesehen.«
»Hat er erzählt, ja? Also spricht er über mich.« Ihre Augen bekommen diesen seltsamen, entrückten Ausdruck.
»Und? Wie war er?«
»Wer?«
»Jimi Hendrix.«
»Ich war praktisch noch ein Kind. Er hat mir Angst gemacht.«
Mehr sagt sie nicht, und ich traue mich auch nicht, weiter zu fragen. Von Kiki geht etwas Seltsames aus. Eine Art Trauer, die sie versteckt und vor der ich Angst hätte, sollte sie einmal ausbrechen. Ich frage mich, warum diese reife, an Erfahrungen reiche Frau in der Küche eines Achtzehnjährigen sitzt, der offensichtlich noch gar nicht reif ist und der dieser Frau nicht annähernd das Wasser reichen kann. Trotzdem redet sie von Liebe zu ihm, und ich habe nicht den Eindruck, dass es sich um mütterliche Liebe handelt. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass Jeffer und Kiki miteinander geschlafen haben, aber da ist etwas, so eine Art Spannung, die schwer zu deuten ist.
Endlich hören wir den Schlüssel im Schloss und ich bin sehr erleichtert.
Jeffer kommt mit drei vollgepackten Tüten zur Tür herein.
»Ladys, mit diesen Vorräten können wir eine Weile überleben!«
Er tut so, als wäre es das Normalste von der Welt, dass Kiki und ich zusammen am Küchentisch sitzen. Während er den Kühlschrank einräumt, grinst er uns herausfordernd an.
Kiki gießt sich Wein nach und trinkt das Glas bis auf einen kleinen Rest in einem Zug aus.
»Hast du schon in das kleine Zimmer geguckt, Frieda?«, fragt Jeffer.
»Nein.«
»Dann schau doch mal.«
Ich öffne die Tür des kleinen Zimmers, welches Jeffers Schlafzimmer ist. Es sieht verwandelt aus. Aufgeräumt, sauber. Ein kleiner Tisch steht am Fenster mit einer Blumenvase drauf, in der frische Feldblumen stehen. Ein paar neue Kerzen stecken in den Messinghaltern.
Jeffer steht plötzlich hinter mir und legt seinen Kopf auf meine Schulter.
»Dein neues Zimmer!«, verkündet er stolz.
Ich möchte ihm gerne um den Hals fallen, aber Kikis Anwesenheit bremst mich, also sage ich leise: »Danke, das ist wunderschön, wirklich.«
Mein Zimmer, hier in Jeffers Wohnung. Das fühlt sich gut an, so als würde man ankommen, endlich.
»Du ziehst hier ein?«, fragt Kiki.
»Ja, erstmal«, nuschel ich.
Sie lächelt matt.
Jeffer macht sich wieder am Kühlschrank zu schaffen und ich setze mich zurück an den Tisch.
Wir schweigen. Es ist eine angespannte Situation, aus der ich uns gerne retten würde, aber ich weiß beim besten Willen nicht, wie.
Kiki geht zur Anlage und legt eine Platte auf. Jimi Hendrix. Dann sieht sie zu mir: »Du willst wissen, wie Jimi Hendrix war? Er hat mir Angst gemacht, weil er so unberechenbar war. Man wusste nie, was er im nächsten Augenblick tut.«
Sie nimmt ihr Weinglas, trinkt den letzten Schluck
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