Ich würde dich so gerne kuessen
verlasse die Bar und bleibe eine Weile auf dem Bürgersteig stehen, unschlüssig, was ich als Nächstes tun will. Ich erwarte, dass Jeffer mir gleich hinterherkommt, wie er es schon so oft gemacht hat. Aber die Tür bleibt geschlossen. Ich zünde mir eine Zigarette an. Spätestens wenn ich sie aufgeraucht habe, wird er kommen.
Er kommt nicht.
Verdammt! Verdammter Kerl!
Ich setze mich in die Straßenbahn und fahre zurück zu seiner Wohnung.
Im Treppenhaus zünde ich kein Licht an, ich setze mich auf die Holzstufen vor seiner Wohnung. Ich habe in der Tasche seinen Wohnungsschlüssel, er hat mir seinen Zweitschlüssel überlassen, aber ich fühle mich auf einmal nicht berechtigt, ihn zu benutzen.
Ich bin auch zu stolz dazu. Es wird langsam Zeit, dass ich meine Position in diesem Spiel selber bestimme. Jeffer hatte schon viel zu viel Einfluss auf das Geschehen. Eigentlich bin ich ihm immer hinterhergedackelt wie ein braves Hündchen.
Jedes Mal wenn die Haustür unten geöffnet wird, fängt mein Herz an zu rasen, weil ich gleichzeitig fürchte und hoffe, dass es Jeffer ist.
Ich gehe im Kopf verschiedene Gespräche durch, die ich mit ihm führen werde, gleich wenn er auftaucht, oder gleich morgen früh, aber auf jeden Fall kurz bevor ich hier ausziehe. Ich werde ihn anschreien, ich werde ihm meine Meinung sagen, ja, ich werde ihm sogar sagen, dass ich ihn armselig finde. Dann wieder denke ich, dass Jeffer nichts dafür kann und dass er mir eigentlich leidtut, weil er ein Unerreichbarer ist. Unerreichbar zu sein, ist bestimmt beschissen, und man wird irgendwann einsam und verlassen in einer billigen Kneipe enden mit einem Alkoholproblem am Hals. Das ist dumm. Andererseits ist jeder selbst für sein Schicksal verantwortlich. Und wenn Jeffer jetzt einen auf coolen Don Juan machen will, bitte sehr. Aber ohne mich. Ich habe mir das alles schon viel zu lange gefallen lassen. Andererseits … gefallen lassen? Was eigentlich? Er hat mir nichts getan. Oder? Dann denke ich an meine Eltern und daran, wie sie mir immer warmen Kakao ans Bett gebracht haben, wenn ich krank war. Das war Geborgenheit und Sicherheit, ich fühlte mich umsorgt und gut aufgehoben. Ich wünsche mir plötzlich, krank im Bett zu liegen und Kakao zu trinken, Kakao von meinen Eltern, die nicht auf den Malediven sind und mich hier alleine gelassen haben, mit all diesen »Teenagerproblemen«, wie meine Mutter es immer so verklärt sagt.
Eigentlich weiß ich auch gar nicht, was ich will. Jeffer wollte mich küssen. Ich habe es nicht zugelassen. Ich bin hysterisch. So ein doofes Girlie. So eine Tussi. Nicht besser als die ganzen anderen Mädchen, die um Jeffer rumschwirren.
Über diesen Gedanken nicke ich ein.
Ich werde wach, als mir jemand eine Jacke über die Schulter legt.
»Hey Frieda. Ich habe dich gesucht.«
Ich höre Jeffer, ich spüre ihn, ich rieche ihn, aber ich kann ihm nicht in die Augen sehen.
Er legt den Arm um mich.
»Wenn du nicht da bist, fühle ich mich unwohl«, sagt er.
Das bringt mich zum Heulen. Das ist zu viel für mich. Ich weine plötzlich hemmungslos, laut, mit Rotz aus der Nase und unschönen Verzerrungen der Lippen. Einfach drauflos, als hätte jemand einen Knopf gedrückt.
Jeffer zieht mich hoch und bringt mich in die Wohnung, in sein Zimmer, welches er für mich hergerichtet hat. Er legt mich ins Bett und zieht mir die Schuhe aus. Dann streicht er mir die Locken aus der Stirn und die Tränen von der Wange.
»Ich bin eine hysterische Ziege«, bringe ich zwischen zwei Schluchzern hervor.
»Du bist eine wunderschöne Frau«, flüstert Jeffer und streicht mir weiter über die Haare.
»Was willst du von mir?«
»Ich weiß es nicht«, antwortet er irgendwie traurig.
Wir schweigen. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Ich rolle mich im Bett zusammen. Meine Augen fallen mir zu. Jeffer nimmt meine Hand und küsst meine Finger. Dann geht er aus dem Zimmer. Er lässt die Tür einen Spalt offen und ich höre ihn leise in der Küche hantieren. Das Feuerzeug klickt. Er macht Musik an. Ganz leise. Die Doors. Ich schlafe ein.
AM NÄCHSTEN MORGEN wache ich vor Jeffer auf. Ich stehe eine Weile in seinem Türrahmen und beobachte ihn im Schlaf. Gleich fühle ich mich schuldig, wie ein Voyeur, wie jemand, der sich in ein fremdes Leben schleicht. Ich gehe ins Bad und putze mir die Zähne. Jeffer hat wieder in seinem Bett geschlafen, obwohl wir die letzten Nächte immer in einem Bett geschlafen haben. Ich werde aus seinem Verhalten nicht
Weitere Kostenlose Bücher