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Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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innehalten und diesen Wendepunkt hier ausgiebig feiern? Oder irgendwo festhalten? Schriftlich? Auf Band? Vielleicht eine Kerze anzünden?
    »Die Schuhe sind echt was fürs Leben«, spricht mich die Verkäuferin von der Seite an.
    »Aha?« Das ist doch ein abgekartetes Spiel hier.
    »Zeitlos«, sie zwinkert mir zu.
    Jeffer lächelt und nickt zufrieden.
    Ich laufe noch eine Proberunde. Wendepunkte verlangen bestimmt neues Schuhwerk.
    »Also von mir aus!«, gebe ich mich geschlagen.
    »Gute Wahl«, meint die Verkäuferin und wechselt einen verschwörerischen Blick mit Jeffer.
    »Ich behalte sie gleich an«, sage ich und fühle mich in der Tat gleich mal ein bisschen anders.
    Später sitzen Jeffer und ich im Park auf einer Mauer, essen Sandwiches und Waffeln. Ich lasse meine Füße baumeln und jedes Mal, wenn ich die Mauer berühre, klirren die Schnallen meiner neuen Schuhe. Toll!
    »Ich habe dich für Sonntag bei meiner Mutter angekündigt«, sagt Jeffer zwischen zwei Sandwichbissen und sieht überallhin, nur nicht zu mir.
    »Oh.« Ich verschlucke mich beinahe an einem Stück Waffel und muss husten.
    »Was?«
    »Das klingt so offiziell«, erkläre ich.
    »Ich dachte, du könntest mir helfen, die Stunde bei ihr durchzustehen.«
    »Dazu sind Freunde doch da.«
    »Sind wir Freunde?« Jeffer verzieht ein bisschen angewidert sein Gesicht, und ich bin mir nicht ganz sicher, ob sein Sandwich ihm nicht schmeckt oder das Wort Freunde.
    »Was würdest du dazu sagen?«, frage ich vorsichtig nach.
    »Ich weiß nicht. Ehrlich. Ich weiß nicht, wie ich das nennen soll.«
    Wir schweigen eine Weile. So ernste Töne hat es zwischen uns noch nie gegeben und wir sind beide irgendwie überfordert damit.
    »Wir müssen es ja auch nicht benennen, oder?«, schlage ich vor.
    »Ich dachte, das macht man so. Wenn mich jemand fragt, wer du eigentlich bist, muss ich ja irgendwas antworten, oder nicht?« Jeffer sieht nachdenklich aus.
    »Seit wann scherst du dich darum, dass man irgendwas irgendwie macht? Du hast zu mir gesagt, ich müsse mich mehr entspannen. Du solltest deine guten Ratschläge vielleicht selber beherzigen.«
    »Kaum hat sie neue Schuhe, schon wird sie aufmüpfig!« Und dann, nach einer kurzen Pause, fügt er hinzu: »Ich bin gern mit dir zusammen, Frieda.«
    »Und ich komme am Sonntag gern mit zu deiner Mutter.«
    »Danke. Du wirst es auf alle Fälle bereuen.«
    »Du meinst nicht bereuen.«
    »Oh nein, ich meine bereuen.«
    Wir sehen noch eine Weile den Tauben dabei zu, wie sie sich in Grüppchen versammeln, um beim kleinsten Geräusch wieder auseinanderzufliegen. Der Park füllt sich langsam mit den Feierabendjoggern, mit Pärchen, die händchenhaltend der untergehenden Sonne entgegenlaufen und sich ab und zu etwas ins Ohr flüstern, mit Vätern, die gleichzeitig einen Kinderwagen schieben und in einem Buch lesen, mit einer Frauengruppe, die auf der Wiese ihre Yogamatten ausrollt.
    Jeffer springt von der Mauer und streckt mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie und wir schlendern eine Weile händchenhaltend über die Wiese. Was immer das auch bedeuten mag. Das ist wieder einer von diesen Augenblicken, in denen ich mir wünsche, die Welt anzuhalten. Mit einem Fingerschnipser alles anhalten, nur nicht Jeffer und mich, wir würden tausend Jahre durch den Park laufen und uns an den Händen halten.
    Da ist dieses Gefühl, als würde einen etwas Warmes ausfüllen, als würde es in den Fingerspitzen kribbeln, so als könnte man endlos weit sehen, wie am Meer, als könnte einen nichts verwunden und als gäbe es nichts Schlechtes auf der Welt. Möglicherweise gibt es im Leben kein besseres Gefühl als dieses.

    Der Abend mündet wieder in einer der vielen Partys auf Jeffers Dach, in Jeffers Wohnung und dann noch in der Bar, wo wieder diese Südstaatenrocker auftreten, so als gäbe es keine anderen Bands in Berlin. Ein kleiner Mikrokosmos. Immer die gleichen Gesichter, die Clique, die Boots-Gang. Und ich mittendrin in meinen neuen Lederboots, die zu erkennen geben, dass ich jetzt auch dazugehöre.
    Ich laufe mit meiner Kamera durch den verrauchten Raum und filme lachende Münder, überquellende Aschenbecher, gezupfte Gitarrensaiten. Der Sänger der Black Birds grinst verwegen in die Kamera, so als hätte er es hundertmal vor dem Spiegel geübt. Ein echter Rockstar! Jedenfalls macht das Eindruck und verursacht kurzzeitiges Herzklopfen bei mir. Wahrscheinlich werde ich auch ein bisschen rot, aber weil es hier so dunkel und verraucht ist,

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