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Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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den Osten und die Brause und den Zusammenhalt und Arbeit für alle und was sonst noch alles anhören. Ich habe heute Frieda mitgebracht, und ich dachte, wir könnten den ganzen Osten einmal hinter uns lassen, aber wenn die Damen unbedingt darüber philosophieren möchten, bitte sehr! Allerdings ohne mich!« Er schnappt sich seine Jacke und verschwindet auf die Terrasse. Ich sehe noch, wie er sich eine Zigarette anzündet, und dann verschwindet er aus meinem Blickfeld.
    Kurzes Schweigen.
    »Tja, so ist er manchmal«, seufzt die Mama entschuldigend.
    »Ja. Damit muss man sich wohl abfinden.«
    »Immer wenn es ungemütlich wird, macht er sich aus dem Staub.« Sie schüttelt den Kopf und atmet schwer aus.
    Ich lächle, weil ich nicht weiß, was ich dazu noch sagen soll.
    »Und du passt gut auf ihn auf, ja?«, fragt sie mich.
    »Ähm, na ja, also wir sind nicht …« Wie soll ich das bloß schon wieder gut ausdrücken?
    »Nicht?«, fragt sie erstaunt.
    »Nein.«
    »Ah, wie schade.« Sie sinkt ein wenig in sich zusammen.
    »Ja.«
    »Ich dachte, ihr beiden … wie soll ich sagen? Dieser offizielle Besuch … ich dachte, so etwas bedeutet was.«
    »Wir sind Freunde.«
    »Ach so.« Sie klingt enttäuscht.
    »Und das auch noch nicht besonders lange«, füge ich hinzu.
    »Ach ja? Na dann! Manche Dinge müssen sich eben erst entwickeln!«
    Irgendwie nimmt das Gespräch eine Wendung, auf die ich nicht gefasst war. Mütter sind unverschämt. Bringen einen ohne Vorwarnung in Verlegenheit.
    »Jeffer ist ein lieber Junge«, probiert sie noch einmal.
    »Das stimmt wohl.«
    Sie sieht mich prüfend an. Ich tue so, als würde ich es nicht bemerken.
    Endlich rettet mich Jeffer, der wieder reinkommt, im Stehen seinen Kaffee zu Ende trinkt und Aufbruchsstimmung verbreitet.
    »Ihr wollt schon gehen?«, fragt Mama besorgt.
    »Wir haben heute noch Termine, Mama.« Jeffer deutet auf seine Uhr.
    »Junge Leute haben immer Termine«, seufzt sie.
    Ja, okay. Diese Frau seufzt ziemlich viel, ich kann schon verstehen, warum es Jeffer auf die Nerven geht. Aber dieser Besuch war für sie bestimmt auch in einigen Punkten enttäuschend.
    Dann sind wir draußen, mit in Alufolie gewickelten Kuchenresten.
    Wir warten auf die Straßenbahn.
    »Jeffer?«
    »Hm?«
    »Darf ich dich was fragen?«
    »Wenn es wegen meiner Mutter ist, fände ich es schön, du könntest es lassen.«
    »Was ist eigentlich mit deinem Vater?«
    »Der hat uns verlassen. Und stell dir vor, ich kann es ihm auch gar nicht verübeln.«
    »Wann?«
    »Als ich sieben war.«
    »Ich dachte nur, weil er auf keinem der Fotos war.«
    »Meine Mutter hat alle Fotos von ihm verbrannt. Ganz dramatisch im Garten. Auf dem Grill.«
    »Oh.«
    »Ich musste ihr dabei zusehen.«
    »Das war bestimmt blöd.«
    »Und weißt du was? Der hat sich mit einer Wessi-Frau zusammengetan. Seitdem ist die Wende für meine Mutter ein endgültiges Trauma.«
    »Ist ja auch bestimmt nicht einfach.«
    »Das Leben ist für sie blöd gelaufen. Aber ich kann ihr dabei nicht helfen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Das muss es nicht. So läuft doch das Leben, oder? Für einige weniger beschissen, für andere mehr.« Er tritt wütend kleine Steinchen über die Straße.
    »Hast du mal versucht, mit deinem Vater Kontakt aufzunehmen?«
    »Nein.«
    »Würdest du gerne?«
    »Keine Ahnung. Nicht jetzt. Später vielleicht, wenn ich Kinder habe.«
    »Wow. Jeffer und Kinder. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.«
    »Ich auch nicht, echt.«
    »Weißt du, meine Mutter, die war mit mir schwanger, als sie zwanzig war.«
    »Und? Hat das Vorteile?«
    »Na ja, meine Mutter ist jung. Das ist cool irgendwie. Sie kann viele Dinge verstehen, die mich interessieren. Sie mault nicht rum wegen den Klamotten, wegen der lauten Musik oder ähnlichen Dingen, die Generationen spalten.«
    »Da ist meine Mutter anders. Sie nennt uns immer ›die jungen Leute‹. Das ist irgendwie omahaft.«
    »Meine Mutter sagt immer Teenager.«
    »Auch nicht viel besser.«
    »Stimmt.«
    Unsere Straßenbahn kommt. Wir steigen ein und schauen die nächsten zwanzig Minuten aus dem Fenster. Berlin ist groß. Überall Menschen, die alle auf dem Weg irgendwohin sind. Wichtige Termine, Verabredungen, Einkäufe. Und zwischendrin entdeckt man immer wieder einsame Gestalten, die nirgendwohin wollen, die ziellos in der Gegend herumlaufen, auf Parkbänken sitzen, den anderen Leuten hinterherblicken oder einfach in den Himmel starren, in der Hoffnung auf irgendein Zeichen, das ihrem

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