Ich würde dich so gerne kuessen
wach. Er hat Frühstück vorbereitet und er wirkt nervös. Das ist das erste Mal, dass ich Jeffer so sehe, aufgeregt und angreifbar.
»Das ist echt süß«, versuche ich, ihn zu necken. Ich setze mich an den Tisch und gieße mir Tee ein.
»Wovon redest du?«, fragt er etwas gereizt.
»Von dir.«
»Machst du dich lustig über mich?«
»Nein! Wo denkst du hin?«
»Iss dein Frühstück!«
»Jawohl, Sir!«
Der Ärmste weiß wirklich nicht, wohin mit sich. Er knabbert lustlos an seinem Toast rum und sieht ständig auf die Uhr. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
»Meine Mutter mag es nicht, wenn man unpünktlich ist.«
»Okay.« Ich schäle mir einen Apfel, um wenigstens ein Minimum an Vitaminen zu mir zu nehmen.
»Überhaupt, das war ’ne dumme Idee, dich dorthin mitnehmen zu wollen.«
»Willst du damit sagen, du nimmst mich nicht mit?« Dieses Hin und Her kann einem ganz schön auf den Wecker gehen.
»Wenn du nicht willst, kannst du gerne hierbleiben«, sagt Jeffer mit hoffnungsvollem Blick.
»Aber ich will ja mit!«, sage ich verzweifelt.
»Verdammt.«
»Das hättest du dir früher überlegen müssen, bevor du mich gefragt hast, jetzt bin ich neugierig.«
»Du wirst enttäuscht sein.« Das murmelt er irgendwie in seinen Dreitagebart rein und dann bestreicht er einen Toast mit Marmelade und legt ihn mir auf den Teller. Ganz die Mutti!
»Ich habe keine Erwartungen. Eltern sind Eltern. Du solltest meine mal kennenlernen«, versuche ich, ihn zu trösten. Er ist wirklich ungewöhnlich angespannt.
»Lieber nicht. Ich bin nicht der Typ, den Eltern gerne kennenlernen.«
»Jetzt überschätzt du dich aber!«
»Iss deinen Toast, wir müssen gleich los«, hetzt er.
Ich nehme den Toast mit in mein Zimmer und ziehe mich an, Jeans und ein grünes Hemdchen. Darüber meine liebste Lederjacke, die ich in Mamas alter Kleiderkiste gefunden habe. Eine ganze Woche habe ich gebraucht, um sie ihr abzuschwatzen. Das Argument, dass sie nicht mehr reinpasst, war gemein, hat aber gezogen.
Auf dem Weg zur Straßenbahn rennt Jeffer mir förmlich davon. Ich kriege Seitenstechen von der Aufholjagd und wünsche mir kurz, doch lieber zu Hause geblieben zu sein. In der Straßenbahn kann ich dann endlich verschnaufen. Jeffer sieht aus dem Fenster.
»Vielleicht sollten wir Blumen kaufen«, schlage ich vor, um die Stimmung ein wenig aufzulockern.
»Sie hat nicht Geburtstag.«
»Na ja, man freut sich doch auch über Blumen, wenn man keinen Geburtstag hat.«
»Freust du dich über Blumen?«
»Nein, eigentlich nicht. Wenn ich zum Geburtstag oder sonst wann Blumen bekomme, wünsche ich mir immer, die Leute hätten mir lieber das Geld für den teuren Strauß geschenkt.«
»Siehst du.«
»Wir können deiner Mutter doch kein Geld schenken!«
»Wir brauchen ihr gar nichts zu schenken.«
»Es wäre aber nett. Vielleicht Pralinen?«
»Hör schon auf, man muss nicht immer nett sein!«
»Nicht? Ich dachte.« Ich sehe beleidigt aus dem Fenster.
»Du bist immer zu allen nett. Aber das muss man nicht! Wirklich nicht.«
»Hab’s verstanden, keine Blumen, keine Pralinen! Nicht nett sein!«
Und damit ist unser Gespräch schon wieder beendet. Jedenfalls für den Rest der Fahrt. Das fängt ja gut an!
Von der Haltestelle müssen wir noch ein Stück laufen. Kleine Straßen mit kleinen Einfamilienhäusern und kleinen, gepflegten Vorgärten. An den Zäunen hängen diese süßen, getöpferten Namensschilder, die einen Hauch Individualität versprühen sollen und die ich noch nie besonders leiden konnte.
Jeffer bleibt vor einem grünen Zaun stehen, hinter dem ein kleines gelb gestrichenes Haus steht. In den Fenstern hängen weiße Gardinen, und auf dem Fensterbrett stehen so viele Orchideen, dass man den Eindruck bekommen könnte, sie würden hier direkt aus dem Fenster heraus verkauft werden.
»Also? Letzte Chance, um es sich noch mal anders zu überlegen«, sagt Jeffer, während er umständlich in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel kramt.
»Ich will es mir nicht anders überlegen. Echt, langsam nervst du.«
Endlich hat er den passenden Schlüssel gefunden und öffnet das Gartentor. Ich habe selten verschlossene Gartentore gesehen, aber vielleicht bin ich auch selten bei Leuten zu Besuch gewesen, die in einem Haus wohnen. Tatsächlich kenne ich fast nur Leute, die in Wohnungen wohnen und ständig von einem Haus träumen. Meine Eltern werden auch regelmäßig davon angesteckt, sehen sich dann stundenlang Objekte im Internet
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