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Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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glaube, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ihr Sohn hat den Mädchen aus ganz Berlin den Kopf verdreht«, versuche ich, sie zu beruhigen.
    Jeffer guckt mich skeptisch an, zieht eine Augenbraue nach oben.
    »Na, dann ist ja gut!«, sagt Mutti erleichtert und kichert etwas nervös. »Ich dachte nur so … eine Zeit lang. Damals im Osten, wissen Sie, da gab es keine Schwulen.«
    »Natürlich gab es die, Mama! Die gab es und gibt es überall!«
    »Jeffer, Schatz, was weißt du denn schon von damals im Osten? Da warst du noch ein Winzling!«
    »Du erzählst so oft davon, dass ich einen ziemlich klaren Eindruck habe.«
    »Ach, du übertreibst! Aber jetzt trinkt doch erstmal den Kaffee.«
    Sie gießt uns die Tassen voll und endlich setzt sich Jeffer auch zu uns. Wir nippen andächtig an dem unglaublich starken Kaffee. Für eine kurze Zeit sagt niemand etwas. Ich lächle verlegen über den Tassenrand hinweg.
    Alle scheinen nach dem nächsten Thema zu suchen, um ein neues Gespräch anzufangen.
    Jeffer guckt mürrisch, sodass ich mich frage, warum er mich überhaupt mitgenommen hat, wenn ihm das hier so gar keinen Spaß macht.
    »Und Frieda, wo sind Sie aufgewachsen?«, versucht die Mutter, den Small Talk aufrechtzuerhalten.
    »In Tempelhof.«
    »Oh.«
    »Ja. Oh. Ich kann es auch gar nicht erwarten, von dort zu verschwinden.«
    »Ja. Jeffer konnte es damals auch nicht erwarten. Ich finde das nicht richtig, wenn die Kinder so schnell von zu Hause ausziehen. Aber im Endeffekt war es wohl besser so. Für uns beide. Jetzt verstehen wir uns schon viel besser. Nicht wahr, Jeffer, Schatz?«
    »Ja«, antwortet er, während er mit seinem Löffel in der Tasse klimpert.
    »Ach, da fallen mir ja die Fotos wieder ein! Moment, ich hole sie mal runter.«
    Jeffers Mama springt auf und rennt davon.
    »Sie ist nett«, versuche ich, Jeffer aufzumuntern.
    »Sie ist meine Mutter. Ich schätze mal, da kann man sich nicht viel aussuchen.«
    »Ich finde, sie gibt sich Mühe. Ich bin auch schon viel entspannter.«
    »Jetzt kommt ja auch der unterhaltende Teil. Auf meine Kosten wohlbemerkt. Fehlt nur noch die Story, wie ich mir Regenwürmer durch die Nase gezogen habe.«
    »Bitte?« Ich verziehe angewidert das Gesicht.
    »Vergiss es!«
    »Oh nein, bitte! Das hört sich wirklich vielversprechend an.«
    »Auf meine Kosten!«
    Bei diesen Worten ist Mama auch schon wieder da, mit einem beklebten Schuhkarton voller Bilder.
    »So Kinder, dann lasst mich mal zwischen euch!«
    Stolz präsentiert sie mir die sozialistischen Aufnahmen, die alle einen leichten Braunstich haben. Jeffer beim Baden, Jeffer im Schneeanzug mit Schlitten, Jeffer, der einen kleinen Dackel streichelt, Jeffer am Weihnachtsbaum, am Fernsehturm, beim Essen mit ganz vielen anderen Menschen, am Palast der Republik, auf einem Spielplatz und und und.
    Er war ein süßes Kind, wie die meisten, aber für seine Mutter bleibt er natürlich das schönste Kind, das einzige. Sie ist mächtig stolz auf ihren Sohn und das obwohl er sich heute, wie ich finde, nicht besonders nett ihr gegenüber benimmt. Aber das mit Müttern und ihren Söhnen ist wahrscheinlich wirklich eine ganz spezielle Beziehung. Auf keinem der Fotos ist ein Vater zu sehen.
    »Das waren so schöne Zeiten!«, schwärmt die Mutter. »Und sie sind so schnell vergangen. Wenn man so jung ist wie ihr, mag man das gar nicht glauben, aber ab irgendeinem Moment rast die Zeit einfach so dahin. Ich weiß gar nicht, wann das angefangen hat … hm … nach der Wende vielleicht?«
    »Natürlich, Mama, die Wessis haben den Ossis eine andere Zeit eingeimpft.« Jeffer stänkert wieder.
    »Er macht sich lustig über mich. Merken Sie das, Frieda? Nun, er hat ja von dem Ganzen nicht besonders viel mitbekommen … aber glaubt mir, es war wirklich anders.«
    »Besser?«, frage ich.
    Jeffer sieht mich entgeistert an und macht hinter dem Rücken seiner Mutter hektische Handzeichen, die mich zum Aufhören bewegen sollen. Ich kann mir das Lachen nur schwer verkneifen.
    »Besser? Tja, also … das darf man ja nicht laut sagen, aber natürlich war es besser. Wenn man zum Beispiel …«
    »Mutter, bitte!«, unterbricht Jeffer sie.
    »Aber sie hat doch gefragt!«
    »Aber doch nur aus Höflichkeit!«
    »Moment mal…«, mische ich mich ein.
    »Du hältst dich da raus!«, ermahnt er mich.
    »Jeffer, sei nicht unhöflich zu unserem Gast!« Mama schwingt demonstrativ den Zeigefinger.
    »Mama! Ich werde mir heute nicht das übliche Zeug über die Wende und

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