Ich würde dich so gerne kuessen
mehr vor Jeffer wach sein und ihm ein Frühstück zubereiten. Wenn er wieder auf die Idee kommt, sein Telefon auszustöpseln, werde ich ihn nicht erreichen können. Das alles hat mit Kontrolle und dem Verlust dieser zu tun. Ich mag das nicht.
Beim Konzert der Black Birds werde ich klopfenden Herzens nach Jeffer Ausschau halten und dann enttäuscht nach Hause gehen, wenn er nicht kommt. Maja wird mir irgendwelche Jungs vorstellen und ich werde nur müde lächeln können. Keine guten Aussichten. Jetzt schon krampft sich mein Magen zusammen. Auf diese ungute Art.
»Du bist so was von verknallt!«, würde Maja jetzt sagen, aber das stimmt nicht ganz. Ich habe lange darüber nachgedacht und ich komme trotzdem nicht dahinter. Ich möchte mit Jeffer kein Pärchen sein. Ich möchte nicht händchenhaltend mit ihm durch den Park laufen und auch nicht in der S-Bahn rumknutschen. Ich möchte niemandem als seine Freundin vorgestellt werden. Ich möchte nicht, dass wir uns täglich anrufen und über den Tag plaudern.
Ich weiß genau, was ich nicht möchte.
Am liebsten würde ich diesen »Ausnahmezustand« für immer behalten, die Zeit anhalten. Alles. Von mir aus sogar die ganze Irritation, die ich durch Jeffers Verhalten immer wieder spüre. Er hat mich infiziert mit dieser ganzen Musik von Freiheit und Ausbruch und überhaupt, und ich werde versuchen, das zu leben, aber ohne ihn werde ich es nicht schaffen. Der Alltag wird mich einholen, die Vernunft wird mich packen, meine Eltern werden gut auf mich einreden und dann war es das mit dem Free Bird.
Jeffer trinkt jetzt den Schnaps aus der Flasche und gibt sie dann an mich weiter.
»Nein danke. Schnaps und du und ich, das ist keine gute Mischung.«
»Du bist wirklich nachtragend. Ich finde das toll.«
»Ach ja?«
»Ja. Das sorgt für das nötige Knistern.«
»Das Einzige, was hier knistert, ist das Lagerfeuer.«
»Siehst du, das meine ich.«
»Du hast echt Glück, dass ich dich mag. Hab ich das nicht schon mal gesagt? Hab ich das nicht schon ein paarmal gesagt?«
»Ungefähr hundertmal.«
»Siehst du, es scheint also ernst gemeint«, sage ich und meine es auch wirklich ernst, trotz allem und wegen allem.
Jeffer nimmt wieder einen kräftigen Schluck aus der Flasche, während ich doch lieber wirklich bei meiner Cola bleibe.
Wir rauchen Kette. Die Sonne versinkt im Meer. Ich vergrabe meine Füße im Sand.
Ich finde die Ostsee deshalb faszinierend, weil es hier einfach ausreicht rumzusitzen und nichts weiter zu tun. Man müsste sich nicht einmal unterhalten, wenn man nicht wollte.
Als würde das Meeresrauschen einen einlullen, die Gedanken stilllegen, auf Automatik schalten, in den Zufriedenheitsmodus.
Als Kind war ich oft mit meinen Eltern hier, aber da wusste ich das noch nicht zu schätzen. Ich wollte Action, andere Kinder, buntes Spielzeug und sah stattdessen immer nur diesen verklärten Ausdruck im Gesicht meiner Eltern. Auch sie waren auf Automatik geschaltet und ich musste meine Sandburgen alleine bauen.
»Hey, baust du mit mir eine Sandburg?«, frage ich Jeffer.
»Die beste, die du je gesehen hast!«
Wir schaufeln den Sand zusammen, mit Händen und Füßen, und türmen ihn zu einem Berg auf. Dann machen wir uns an die Feinheiten. Türme, Gräben, Mauern. Jeffer streicht vorsichtig den Sand glatt, hochkonzentriert. Ich sammle kleine Steinchen und Muscheln zum Verzieren. Das Lagerfeuer wärmt angenehm. Jeffer schmeißt sich in den Sand und bleibt liegen, ich schmücke weiter die Türme. Die beste Sandburg sieht bestimmt anders aus, aber wir haben uns Mühe gegeben. Ich grabe noch einen schmalen Zugang zum Wasser, um den Graben damit zu fluten. Schließlich müssen wir, nicht zum ersten Mal, eine Verteidigung gegen Eindringlinge gewährleisten.
»Frieda?«
»Hm?«
»Kommst du mal kurz? Ich glaube, ich habe hier was, ich glaube … oh Mann.«
Ich gehe zu ihm rüber und bemerke neben ihm die halb geleerte Flasche.
»Kannst du dich mal zu mir runterbeugen? Ich muss dir was sagen.«
»Sag doch.«
»Ich muss es flüstern. Wirklich, Frieda. Anders geht es nicht.«
Geht das schon wieder los! Aber es ist ja unser letzter Abend, also was soll’s.
Ich beuge mich zu ihm runter und gehe mit meinem Ohr an seine Lippen.
»Ich glaube, ich bin betrunken«, kichert er.
Dann zieht er mich so zu sich runter, dass ich mit meinem Oberkörper auf seinem lande.
»Ich erbitte mir hiermit die offizielle Erlaubnis, dich küssen zu dürfen«, lallt er.
Hin und her
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