Ich zähle bis drei
erzählen«, sagte ich. »Nachdem er Edward Waring getötet hatte,
machte der Mörder sich nicht mal die Mühe, das Kollier mitzunehmen, das erst
morgens angekommen war. Er ließ es in einer der Schreibtischschubladen liegen .«
»Sie sagen immer >er<,
Mr. Boyd«, warf Reiner nervös ein.
»Es kann auch eine Sie sein .« Ich zuckte die Schultern. »Den Schmuck könnte genausogut eine Frau gestohlen haben, und genausogut könnte der Mörder eine Frau gewesen sein, wenn
man in Betracht zieht, daß Waring erstochen wurde .«
»Tut mir leid .« Daphne erhob sich wieder entschlossen. »Aber es ist schon furchtbar spät, und
ich bin sehr müde .«
»Ich glaube, es reicht wirklich
für einen Abend«, stimmte ich zu.
Alle erhoben sich vom Tisch.
Daphne ging schnell aus dem Speisezimmer, Reiner folgte langsamer. Ich
betrachtete mir Sorcha und Amanda, die durch den Raum humpelten und so taten,
als seien sie Meilen voneinander entfernt.
»Das wird mal eine sexlose
Nacht im alten Herrenhaus .« Ross lachte vergnügt. »Was
halten Sie von einer flüssigen Nachtmütze, Danny ?«
»Viel.« Ich trat mit ihm zum
Barschrank. »Wie geht es den Fingern ?«
»Ziemlich übel. Ich hätte ihr
die verdammten Zähne die Kehle runterschlagen sollen, aber Sie kennen mich. Ich
bin weich gegen Frauen, obwohl ich gesellschaftlich noch unter einem
Bordellbesitzer rangiere. Befürchten Sie nicht, daß auch Ihr gesellschaftlicher
Status eine Tendenz nach abwärts aufweist ?«
»Sie bestreiten Ihren
Lebensunterhalt durch verheiratete Frauen, Reiner den seinen durch verheiratete
Männer .« Ich zuckte die Schultern. »Der einzige
Unterschied zwischen Ihnen beiden dürfte nur der sein, daß er nicht hinterher
hingeht und die Frauen zusammenschlägt .«
»Sie sind ein Schlitzohr! Das
habe ich Ihnen schon einmal gesagt, nicht wahr ?« Er
nahm sich einen Scotch und schüttete ihn in einem Zug in sich hinein. »Ein
interessanter Abend. Sie haben ein paar schicke Sachen aus dem Zylinder
gezaubert, aber kein dickes, saftiges Kaninchen, oder ?«
»Dazu ist noch Zeit«, sagte ich
unbekümmert.
»Ich kann nicht zu lange
wegbleiben .« Er lachte amüsiert. »Wer weiß, vielleicht
liegt in meinem Briefkasten eben jetzt eine große Tüte mit Brillanten?«
»Verraten Sie mir eins. Sie und
Amanda, wie stehen Sie zueinander ?«
»Überhaupt nicht !« knurrte er.
»Aber in Mexiko war es anders,
oder ?« bohrte ich.
»Worauf zielen Sie ab ?«
»Ich möchte nur klarsehen, mehr
nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Damals in Mexiko glaubte Amanda doch, Sie
hielten sie für ein bildschönes, sexy Geschöpf, und Sie Ihrerseits glaubten,
sie habe begriffen, daß bei solchen Affären auch finanzielle Überlegungen eine
Rolle spielten.«
»So etwa.« Er holte sich noch
einen Scotch. »Wer glaubt denn bei mir an Liebe? Das wäre ja ein Witz .«
»Irgendwann muß es also zum
Bruch gekommen sein .«
»Allerdings. Am letzten Tag,
als Charlie schon tot war. Ich sagte heute abend , wir
hätten den größten Teil des Nachmittags in ihrem Zimmer zugebracht, erinnern Sie
sich ?«
»Ich erinnere mich. Wie nahm
sie es auf ?«
Er fuhr sich mit der Handkante
heftig über die Stirn. »Ich weiß es nicht mehr genau, ehrlich. In meiner
Branche passiert der endgültige Abschied in allen denkbaren Größenordnungen,
für meinen Geschmack übrigens zu häufig mit Tröstungen aller Art. Es spielt
selten eine Rolle, wie ich dabei vorgehe, weil das Geschäft auf jeden Fall
abgeschlossen ist. Sie schiebt mich ab — ich schiebe sie ab —, das Ergebnis ist
immer das gleiche .«
»In Mexiko nicht, Ross.« Ich
grinste ihn an. »Sie glaubten, kassieren zu können, aber Sie kassierten nicht .«
»Und Sie glauben natürlich,
Amanda sei die Geschädigte«, sagte er gekränkt. »Nichts dergleichen. Ich war
überzeugt, so ziemlich jeden Trick zu kennen, dessen sich die Weiber zu solchem
Zeitpunkt bedienen, aber sie belehrte mich eines Besseren. Es war zum
Verrücktwerden, aber ich schaffte es nicht, meine Hände auch nur in Reichweite
ihrer Haifischzähne zu bringen .«
»Amanda wurde also heftig an
jenem letzten Nachmittag ?«
»Zunächst das übliche: Krallen,
Beißen, Kratzen. Das Weibsstück hat einen Körper wie ein Panther, wußten Sie
das? Alles Muskeln und Sehnen. Ich wundere mich überhaupt nicht, daß der arme
alte Lysander Peacock sich nach seiner Heirat mit ihr vergleichsweise geschwind
in die Berge abgesetzt hat. Ein einziger ihrer Rückhandschläge hätte ihn
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