Ich zähle bis drei

aus Holz geschnitzt, und schüttelte langsam den Kopf. »Du
kommst um vielleicht fünf Minuten zu spät, Daphne. Natürlich kannst du die
Worte zurücknehmen, aber nicht die Gefühle, die sich hinter ihnen verbargen. Du
bist auf Boyds Seite, und damit hat sich’s .«
    »Ross !« wimmerte sie.
    »Vielleicht triffst du Charlie
oben«, flötete Sorcha. »Dann könnt ihr beide Hand in Hand durch die Ewigkeit
hüpfen .«
    Daphne schob ihren Stuhl zurück
und stand, den Blick starr auf Sheppard gerichtet, langsam auf. »Du hast keine
Ahnung, was du dir entgehen läßt«, flüsterte sie. Ihre Arme bewegten sich flink
und entschlossen, zogen den blauen Pullover in einem Ruck über den Kopf, befreiten
sich daraus und fielen zu beiden Seiten ihres Körpers herab. Nackt bis zur
Taille, stand sie reglos da.
    »Findest du nicht auch, daß es
ein Jammer wäre, Ross ?« fragte sie leise.
    Sein Gesicht kehrte sich leicht
von mir ab, als er sie betrachtete. Seine Augen verschlangen sie mit der Gier
eines Schlemmers, dem ein Gericht serviert wird, das zu bekommen er nie auch
nur zu träumen gewagt hat. Der Pistolenlauf war immer noch auf mich gerichtet,
aber Sheppard stützte den Handballen jetzt in schrägem Winkel auf den Tisch. Es
war eine jener Jetzt-oder-nie-Gelegenheiten, aber üblicherweise ist es mein
Prinzip, ein bißchen mehr auf Nummer Sicher zu gehen, wenn ich irgend kann.
    »Nein!« Das »Nein« hörte sich
an, als wäre es gewaltsam aus Sheppards Kehle gezogen
worden.
    Daphne öffnete langsam den
Reißverschluß und ließ auch den Rock zu Boden fallen. Der saphirfarbene Slip
modellierte den Schwung ihrer Hüften nach, und sein Schnitt ließ ihre
Oberschenkel noch länger erscheinen. Ich besah mir flüchtig die anderen am
Tisch. Reiners Augen waren glasig, seine Stirn überzog sich sichtbar mit
Schweiß. Selbst die beiden Frauen waren fasziniert. Amanda linste durch ihre
geschwollenen Augenlider und hatte den Kopf zurückgeworfen, um nur ja nichts zu
verpassen. Sorchas Augen waren fest auf Daphne gerichtet, sie leckte sich
immerfort die Unterlippe, während sie auf den Höhepunkt wartete.
    »Noch immer Nein !« sagte Sheppard grausam.
    Ein zitterndes Lächeln erschien
auf Daphnes Mund, als sie langsam einen Finger in das Taillengummi ihres Slips
schob. Sorcha neben mir krümmte sich und zuckte sofort vor Schmerz zusammen.
Ich fühlte mich plötzlich besser. Daphnes Hände bewegten sich langsam und
schoben den Slip abwärts. Sorcha beugte sich mit halboffenem Mund
erwartungsvoll vor. Ich holte tief Luft, schlug ihr heftig mit der flachen Hand
über den Rücken und tauchte seitwärts vom Stuhl.
    Während ich schon im Fallen
nach meiner .38er angelte, hörte ich, wie sich in Sorchas spitzen
Schmerzensschrei der Knall eines Schusses mischte, ohne daß ich wußte, was
vorging. Ich schlug mit den Knien auf dem Boden auf, rutschte ein Stück, hatte
meine Kanone in der Hand und stand schon wieder auf den Beinen. Aber mich
umblickend, glaubte ich, den Sinn für die Wirklichkeit verloren zu haben. Sie
schien in der winzigen Zeitspanne meines Rettungsmanövers zu einem wahnwitzigen
Spuk erstarrt, der aus den lebendigen Menschen um mich her stumme, leblose
Wachsfiguren gemacht hatte.
    Daphne stand reglos da, die
Finger immer noch im Taillenbund ihres Slips. Amanda und Marvin waren offenbar
aufgesprungen und starrten auf das Tischende, das ich gerade geräumt hatte, die
Gesichter in stummem Entsetzen gefroren. Sorcha hing nachlässig über der
Tischecke, halb auf der Seite, halb auf dem Rücken, das Gesicht dem andern Ende
des Tisches zugekehrt. Ihr eines übriggebliebene Auge war jetzt von stumpfem, alltäglichem Grün, dennoch der blutgefüllten Höhle auf
der andern Seite des Gesichts verdammt vorzuziehen.
    Sheppard stand fassungslos am
andern Ende des Tisches. Seine Kehle bewegte sich krampfhaft, brachte aber
keinen Ton zustande. Die Magnum war so fest in seine rechte Hand gepreßt, daß
die Knöchel weiß hervortraten, der Lauf war abwärts auf das andere Tischende
gerichtet. Ein breites Rinnsal von Schweiß sammelte sich unter seinem Haaransatz,
lief ihm langsam über die Stirn und tropfte auf die Nase.
    »Kanone weg, Ross«, sagte ich
ruhig.
    Er bewegte keinen Muskel.
Amanda klappte im Stuhl zusammen und schluchzte leise und jammernd wie ein
kleines Kind. Reiners Körper zuckte plötzlich, sein Gesicht verfärbte sich
grün, und er eilte verzweifelt aus dem Raum. Aus einem Augenwinkel sah ich eine
weißgesichtige Daphne, die