Ich zähle bis drei
augenblicklich, daß ein Stoß ihn ins
Jenseits befördern würde .«
»Danny«, sagte Ross amüsiert,
»würde die Polizei nicht genau diesen Gesichtspunkt immer wieder überprüft
haben ?«
»Grundsätzlich schon«, gab ich
zu. »Aber Sorcha hatte einen ungeheuren Pluspunkt für sich. Es war eine leicht
überprüfbare Tatsache, daß Charlie ein Säufer war. Jeder Betrunkene kann aus
dem Fenster fallen — das weiß jedes Kind —, warum also argwöhnen, er sei
gestoßen worden? Aber es gab jemanden, der genau wußte, daß Charlie aus dem
Fenster gestoßen worden war .«
»Wer ?« krächzte Reiner.
»Waring. Er war im Zimmer
gleich gegenüber, und beide Türen standen offen. Als er begriff, was vorging,
schnappte er sich seine Kamera und knipste drauflos .«
»Um Sorcha später mit den
Bildern erpressen zu können ?« fragte Daphne stockend.
»Wozu sonst?« Ich nickte.
»Waring hat zur eigenen Sicherheit offensichtlich ungeheure Anstrengungen
gemacht, um seine Identität vor Sorcha zu verbergen. Er hat vermutlich nach
Charlies Tod erst ein paar Monate verstreichen lassen, ehe er ein paar Abzüge
und seine Geldforderung losschickte .«
Sorcha hob den Kopf und sah
mich mitleidheischend an. Ich stellte fest, daß es ihr gelungen war, ein paar
Tränen herauszupressen, die ihr nun über die Wangen liefen; ihre Augen
leuchteten hellgrün. »Danny«, flüsterte sie gebrochen, »ich habe keine Ahnung,
wie Sie so etwas von mir glauben können. Ich habe nie und nimmer den armen
Charlie aus dem Fenster gestoßen .« Sie stieß ein
halbes Dutzend Seufzer aus. »Warum tun Sie mir das an? Ich habe Sie engagiert,
um meinen Schmuck zu finden, dazu den Dieb, der ihn gestohlen hat, und Sie...«
»Ihr Schmuck ist nie gestohlen
worden«, gab ich zurück. »Er war als Abzahlung an den Erpresser gedacht und als Falle für ihn, um ihn gleichzeitig überführen zu können .«
»Ich habe wohl den Anschluß
verpaßt, Danny«, Ross zuckte hilflos die Schultern. »Da komme ich nicht mehr
mit .«
»Wie ist das zu verstehen —
eine Falle, um ihn gleichzeitig zu schnappen ?« wollte
Amanda wissen.
»Der Erpresser fordert Geld,
andernfalls wird er die Bilder in Umlauf bringen«, sagte ich. »Sorcha macht ihm
klar, daß sie an das Vermögen ihres Mannes noch nicht herankann, daß sie
folglich nicht eher die geforderte Summe flüssig machen könne, bis das Vermögen
freigegeben werde. Aber sie besitze besonders wertvollen antiken Schmuck, den
werde sie ihm schicken. Nachdem sie den Schmuck in seinem Besitz weiß, ruft sie
unverzüglich alle fünf von Ihnen an — jeden einzelnen um Verschwiegenheit
bittend, da er der einzig Vertrauenswürdige sei — und behauptet, ihr sei der
Schmuck am Todestag ihres Mannes gestohlen worden, und sie habe mich engagiert,
um den Dieb zu finden. Sorcha wußte verdammt gut, daß der Erpresser einer ihrer
fünf Gäste und folglich im Besitz der Juwelen sein mußte. Mir hat sie gesagt,
sie engagiere mich, um den Dieb zu finden, aber in Wahrheit hat sie mich
engagiert, um den Erpresser zu finden. Denn kannte sie erst einmal seine
Identität, konnte es nicht allzu schwer sein, sich seiner zu entledigen .«
»Warum aber, Mr. Boyd« — Reiner
räusperte sich nervös —, »haben wir alle per Post ein Schmuckstück zugeschickt
bekommen ?«
Ich wiederholte, was ich Ross
am Abend zuvor bereits erklärt hatte: wie Waring den Kopf verloren und den
anderen vier Verdächtigen je ein Schmuckstück geschickt habe, in der irrigen
Annahme, alle fünf erschienen gleich schuldig oder unschuldig, wenn jeder von
ihnen ein Schmuckstück besäße.
Reiner nickte langsam, als ich
fertig war. »Das ist auf völlig blödsinnige Weise logisch. Aber Mrs. Van
Hulsden kann Waring nicht ermordet haben, sie war zum Zeitpunkt des Mordes
nicht mal in England .«
»Richtig. Warings Panik hat ihn
das Leben gekostet. Er traute sich offensichtlich nicht zu, dieses heikle
Geschäft allein zu handhaben, und beschloß, sich einen Partner zu nehmen. Nur
fand der Partner, er brauche keinen Partner, und ermordete Waring. Das
ist der einzige Grund, weshalb er sich nicht mal die Mühe machte, das Kollier
aus der unverschlossenen Schublade von Warings Schreibtisch zu nehmen. Mit den
Negativen in der Tasche war er ein reicher Mann, zumindest für den Rest von
Sorchas Leben .«
»Der Mörder und Erpresser kann
immer noch entweder ein Mann oder eine Frau sein, Mr. Boyd ?« fragte Fveiner .
»Natürlich«, nickte ich.
»Jemanden erstechen kann auch
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