Ich zog mit Hannibal
ihn, als er nach einer Seite überhing, wieder ab. Er hob ihn ein zweites, ein drittes und viertes Mal an und dann hatte er ihn richtig gefasst und setzte sich mit dem Stamm in Bewegung.
Allen, die zusahen, verschlug es die Rede. Nicht einer schrie, auch Karthalo nicht. Suru legte den schweren Stamm zu dem Stapel.
»Er ist ja auch größer«, erklärte Roccos Antreiber böse, nachdem Suru es geschafft hatte, und als sich niemand um den Einwand kümmerte, schrie Gisgo:»Dafür ist er so feige, dass er vor einer Ratte ausreißt!«
»Nicht einmal vor dir«, tat ihn Karthalo ab.
»Vor jedem Balken, der wackelt, fürchtet er sich.«
»Darauf können wir es ja ankommen lassen.«
Sie waren wieder aufeinander losgegangen, aber wie üblich kamen sich ihre roten Gesichter nur bis auf Handbreite nahe. Es sah aus, als wollten sie einander anspucken. Sie taten es nicht – aber Roccos Treiber spuckte einen Plan aus, wie sie es austragen könnten. Über einen der Gräben, die von den Söldnern bei Schanzarbeiten vor dem Lager ausgehoben waren, wurden nebeneinander sechs der Stämme gelegt, an denen Rocco und Suru ihre Kraft erprobt hatten. Die äußeren Stämme wurden mit Pflöcken befestigt, die vier Balken dazwischen dagegen nur lose auf Klötze gelegt, damit sie wackelten, wenn einer drauftrat, nicht viel, aber immerhin merklich. Der Graben war mannstief, etwa fünf Schritte breit. Gisgo war seiner Sache sicher. Er führte seinen Elefanten an den Graben heran, ging ohne ihn über den Steg und gab Rocco den Befehl, ihm zu folgen. Rocco zögerte nicht. Weil er rasch ging, war er schon halb hinüber, als ihn die wackligen Balken unsicher machten. Überstürzt tat er die zwei, drei Schritte bis hin zu seinem Indos, der ihm Salz entgegenhielt, eine ganze Hand voll.
Suru hatte das Stutzen Roccos bemerkt. Er war bereits aufgeregt, als Karthalo ihn an den Steg heranführte. Karthalo redete ruhig mit ihm und ging rasch hinüber. Dann lockte er Suru. Suru, gewohnt zu gehorchen, setzte seinen Fuß auf die Stämme und tat einen zweiten Schritt. Jäh blieb er stehen. Ein Balken hattesich leicht bewegt. Roccos Treiber bot Karthalo Salz an. Karthalo schnaubte: »Er tut es auch ohne Salz.« Aber Suru schaffte es nicht, seiner Angst Herr zu werden, so sehr Karthalo ihn auch beschwor. Der Elefant machte immer wieder dieselben zwei Schritte, über sie kam er nicht hinaus. Karthalo ging ihm entgegen, auch er machte immer wieder zwei Schritte vor und zurück und bei ihm sah es lächerlich aus. Es wurde laut gelacht. Da stampfte Karthalo mit dem Fuß auf, rutschte aus und fiel hin. Suru drehte sich so erschrocken um, dass er mit den Hinterbeinen auf die Balken geriet, und da sie sich bewegten, ließ Suru vor Angst etwas fallen. Es war ein zylinderförmiger Klotz, mit Aststücken drin, und er rauchte.
Die Indos, die zusahen, brüllten vor Vergnügen. Mir ging es nicht anders. Karthalo war wieder auf seine Beine gekommen und stieg über den rauchenden Klotz weg. Er sah nichts außer Suru. Ihn schrie er an, wie er es noch nie getan hatte. »Los, komm mit!« Auf dem ganzen Weg tobte er und stampfte voraus. Suru folgte mit drei, vier Schritten Abstand. Nun hielt er die Rüsselspitze im Maul wie vorher Rocco. Wütend pflockte Karthalo ihn an und verschwand in seinem Zelt. Den ganzen Tag ließ er sich nicht mehr sehen.
Ich blieb bei Suru. Ich redete mit ihm, aber ich hatte das Gefühl, dass Suru verschlossen dastand. »Darauf hätte Karthalo nicht eingehen sollen«, sagte ich zu ihm. »Du hattest Rocco besiegt und hattest es nicht nötig, deinen Mut zu beweisen.« Ich suchte weiter nach Worten, die ihn beruhigen konnten.
»Du solltest ihm lieber Wasser bringen«, sagtejemand hinter mir. Ich sah mich um. Da stand ein Mann, der anders aussah als die Treiber; auch kein Söldner konnte das sein.
Seine Augen waren groß und sehr dunkel und sein Gesicht war schmal. Er war kaum größer als ich.
»Ich bin Silenos, der Schreiber«, sagte der Mann, der etwa vierzig Jahre alt sein mochte.
»Glaubst du, dass Suru Durst hat?«, fragte ich ihn.
»Hol einen Eimer voll, am besten gleich zwei«, riet mir Silenos.
Ich holte Wasser. Suru nahm einen Rüssel voll und spritzte erst Beine und Brust, dann auch Flanken und Rücken an.
»Warum tut er das?«, fragte ich verwundert.
»Er fühlt sich beschmutzt«, meinte Silenos. »Er wäscht die Angst ab, die ihn befallen hat.«
Suru machte es gründlich. Ich musste dreimal um Wasser gehen.
»Nun kannst du mit
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