Ich zog mit Hannibal
ihm reden«, sagte Silenos. »Er ist hellhöriger als die Afrikaner.«
»Er ist kein Afrikaner?«
»Suru ist ein Inder – hast du das nicht gewusst?«
Karthalo hatte es mir nicht gesagt. Nun hatte ich die Erklärung dafür, dass Suru sich in vielem von den anderen Elefanten unterschied. Er war höher als sie und das helle Grau seiner fein gefältelten Haut hob sich vom Erdgrau der anderen ab. Den höchsten Punkt nahm bei ihm nicht der Rist, sondern die Mitte des Rückens ein. Seine Ohren waren kleiner und sahen nicht bedrohlich wie Schilde aus, sondern eher wie große Blätter, und eben jetzt, da ich sie ansah, spielten sie mit der Luft. Vor allem war es die Stirn,durch die Suru sich vor den anderen auszeichnete. Sie war aufgewölbt, was ihm eine Würde verlieh, die keinem der anderen Elefanten gegeben war.
»Um bis hierher zu kommen, musste er die Welt, so weit wir sie kennen, hinter sich bringen«, sagte Silenos. »Ich weiß, wie weit dieser Weg ist.«
Ich sah ihn zweifelnd an. »Du warst dort, woher Suru kommt?«
»Viele von uns waren dort«, sagte Silenos. »Seit vor hundert Jahren Alexander diesen Weg ging, zog es immer wieder Griechen dorthin. Und woher kommst du?«
»Von Sagunt.«
Nun war Silenos überrascht.
»Suru hat mich in den Trümmern gefunden.« Ich erzählte ihm, wie es sich zugetragen hatte.
»So hat er dich selbst zu seinem Indos ausgesucht«, stellte Silenos nachdenklich fest. Er betrachtete Suru. »Jetzt hat er sein Gleichgewicht wieder gefunden. Sieh ihn dir an: Wie viel gewaltiger als die anderen er ist! Er, der Einzahn, ist ihr geheimer Herr.«
Ich sah, dass Suru ruhig hin und her schwang, in sich versunken.
Silenos fragte mich, ob ich zur Elefantenfurt mitkommen wollte. Ich zögerte nicht einen Augenblick. Silenos gefiel mir.
5
Die Elefantenfurt glitzerte in der Sonne, als ich mit Silenos dort ankam, und der Felsen, auf den wir uns setzten, war so warm, als wäre er lebendig. Es ging auf das Frühjahr zu. Die Nachmittage wurden schon merklich länger. Das braune Land fing an grün zu werden. Silenos sah auf das Wasser hin. Es schien, als habe er mich und alle Elefanten vergessen.
»Ich will nichts gegen die anderen sagen«, begann er plötzlich, »auch von ihnen halte ich viel.«
»Du meinst die Afrikaner«, vergewisserte ich mich. Silenos sah mich fragend an. »Hat Karthalo dir erzählt, dass die Waldelefanten um Sala als himmlische Tiere gelten, die für hundert Jahre auf die Erde herabsteigen? Und dass sie sich bei Neumond versammeln, um zu beraten, ob die Erde noch so sei, dass sie Elefanten verdient?« Silenos bemerkte, wie sehr ich über seine Fragen erstaunt war. »Ich weiß«, fuhr er fort, »Karthalo sieht Elefanten mit anderen Augen an als ich. Ihm ist vor allem wichtig, dass sie stark sind und gut verwendbar im Krieg. Aber sie haben nichts Gewalttätiges an sich, auch wenn sie von weitem wie Felsen aussehen. Sie sind feinfühliger als jedes andere Tier. Ihr Rücken wird von Lasten leicht wund und zu nichts taugen sie weniger als zum Eindrücken von Mauern und zum Niederstampfen von Menschen.«
»Karthalo ist anderer Meinung«, warf ich ein.
»Suru ist kein Kämpfer«, sagte Silenos entschieden. »Die Afrikaner tun manchmal so, als wären sie geschaffen, Schrecken um sich zu verbreiten. Wennihre großen Ohren plötzlich wie Schilde von ihren Köpfen abstehen, wenn sie ihre Rüssel gegen den Himmel aufwerfen, wenn sie stampfen, dass die Erde unter ihnen erbebt, ist es besser, sich von ihnen fern zu halten. Für gewöhnlich leben sie gern in Frieden – und doch verfallen Menschen immer wieder darauf, ihnen Treiber in den Nacken zu setzen, sogar in Indien. Seit Alexander bei seinem Zug auf Kriegselefanten stieß, sind sie von allen Machthabern, die Heere halten, begehrt – als Festungen, die da und dort eingesetzt werden können. Am Roten Meer richtete man sogar einen Elefantenmarkt ein. Pharaonen lieferten Kriegselefanten an die Karthager. Nur taten die Elefanten nicht immer das, was von ihnen erwartet wurde. Es ist wahr, sie zertrampelten Meuterer und Feinde, nachdem sie vorher außer sich gebracht worden waren. Aber es konnte auch vorkommen, dass ein Elefant nach dem Einbruch in eine belagerte Stadt sich aufmachte, seinen Treiber zu suchen, der gefallen war, Freund und Feind dabei niederstampfend, bis er sich, verwundet und aller Hoffnung beraubt, in das erbrochene Tor der Festung legte, um so dem Morden ein Ende zu machen. Nikon hieß dieser Elefant,
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