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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Baumann
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Wir waren in der Schlucht eingepfercht. Da den Hang keine Grasnarbe deckte, lockerte jeder stürzende Stein Geröll und es kam zu Lawinen, die breite Lücken in den Zug rissen und Menschen und Tiere begruben. An ein Ersteigen der Höhen, von denen das Verderben ausging, war nicht zu denken. Die Alten hatten uns in eine Falle geführt, weit tückischer als die erste.
    Diesmal duckte nicht nur ich mich unter Suru, sondern auch Karthalo. Suru war seltsam ruhig. Er setzte so sicher Fuß vor Fuß, als wäre er über die niederrollenden Steine genau im Bilde. Wir hielten uns unter seinem Bauch, wie Elefantenkälber es tun, wenn sie sich bedroht fühlen.
    Suru blieb stehen: Ein Felsbrocken rollte eine Elefantenbreite vor ihm vorbei; er machte zwei raschere Schritte. Unmittelbar hinter ihm ging ein Sturzbach aus Steinen nieder. Es war, als spielte der Elefant ein Spiel, bei dem er im Voraus jeden Zug wusste. Etwa dreißig Schritte legte er auf diese Weise zurück. Dann hatte er eine überhängende Felswand erreicht. Nun bewegte er sich nicht mehr. Er blieb an den grauen Stein gepresst, als wäre er mit ihm zusammengewachsen.Karthalo und ich hockten geborgen unter einem Felsen, von dem Wärme ausging.
    Wir sahen einander mit offenem Munde an. Mitten in dieser Hölle hatte Suru einen Winkel entdeckt, in den es für den Tod keinen Weg gab.
    Der größte Teil des Heeres war den unberechenbaren Brocken, die in Sprüngen niederkamen, schutzlos ausgesetzt. Um Suru hatte sich eine Menschentraube zusammengedrängt. Die Äußersten wurden von Zeit zu Zeit weggerissen.
    Und dann hallte ein Schreckensruf durch die Schlucht: Die Teufel kommen!   – Von den Höhen stiegen die Männer, die eine so verheerende Vorhut vorausgeschickt hatten. Verwegen kamen sie über Wände herab, die unzugänglich aussahen. Sie stürzten sich alle auf eine Stelle. Dort waren so viele Steine niedergegangen, dass alles erschlagen war. Die Gebirgler besetzten den wüsten Hügel, den es erst seit Stunden gab. Sie hatten ihr Ziel erreicht, Hannibal von Reitern, Elefanten und den Söldnern Monomachs abzuschneiden. Nun wendeten sie sich entschlossen gegen die Nachhut. Hannibal warf sich mit Berserkern ins Treffen und schlug die Gebirgler zurück. Maharbal fasste sie im Rücken. Zwei Stunden ging der Kampf hin und her. Die Schlucht erlaubte nicht, die Eindringlinge in der Flanke zu fassen, und sie konnten sich halten, bis es dunkel wurde. Bei Einbruch der Nacht hörte jeder Kampf auf. Hannibal blieb vom Heer getrennt. Er machte nach Mitternacht einen Versuch durchzubrechen. Dabei stieß er auf erbitterten Widerstand und wurde verwundet. Mit knapper Not konnten seine Leute verhindern, dass erin die Hände der Allobroger fiel. Der entscheidende Angriff wurde bis zum Morgen verschoben. Als bei Hellwerden von beiden Seiten Karthager vorgingen, um den Riegel zu sprengen, fanden sie den Geröllhaufen unbesetzt. Die Gebirgler hatten sich in den späten Nachtstunden davongemacht. Sie konnten nur über die nahezu senkrechten Wände zu beiden Seiten des Riegels aufgestiegen sein. Wie sie das im Finstern und ohne Lärm zu Stande gebracht hatten, konnte sich keiner, der an den Felsen hinaufsah, erklären. Sie hatten eine unheimliche Stille zurückgelassen. Angst fiel über die Männer her, die den verlassenen Steinhaufen vor sich hatten. Sie suchten die Höhen ab. Dort regte sich nichts. Ein paar Vögel begannen lautlos zu kreisen. Es waren riesige Vögel, wie noch keiner im Heer sie gesehen hatte. Der Morgen blieb still. Die Berge schwiegen, als sei ihnen nicht gegeben zu brüllen, wenn man sie anschrie. Außer dem Gestöhn der Verwundeten war nichts zu hören. Die Lebenden, die mit dem Schrecken davongekommen waren, vermieden es, wie früher miteinander zu reden, als könnte ein lautes Wort das Verderben von neuem losbrechen lassen. Karthalo ging weg, um herauszubringen, wie viele Elefanten noch lebten.
    »Zwanzig«, sagte er, als er zurückkam. Allen, die es hörten, erschien das als ein Wunder.
    Für die Indos kam der Befehl, die Elefanten in Marsch zu setzen. Über Tote und Trümmer suchten die verstörten Tiere einen Weg. Hannibal, der nach vorne gegangen war, um sich über das Ausmaß der Verluste ins Bild zu setzen, holte die Elefanten an die Spitze des Zuges. Auf dem ganzen Weg sahen dieSöldner den grauen Riesen wie Gespenstern entgegen. Ich hörte, dass laut gezählt wurde. Man hatte die Elefanten aufgegeben   – nun kamen volle zwanzig aus der Schlucht. Noch war

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