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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Baumann
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ich.   – »Du irrst dich«, hörte ich ihnsagen. »Du kannst noch, mein kleiner Karthager!« Er nahm mich an den Schultern und drehte mich um. Ich blickte ihm ins Gesicht; er versuchte zu lächeln, aber das gelang nicht einmal ihm. Da stand ich auf. Und nun blieb ich neben ihm und es war nicht nötig, dass er mich hielt.
    Und dann war auf einmal der Weg nicht mehr steil. Hannibal erkundete ein Stück weit ins Flache hinein. Er kam zurück und brüllte den Hang hinab: »Der Pass! Wir haben ihn!«
    Der Schrei wurde weitergegeben. Hannibal horchte ihm nach, viele Male wurde der Schrei wiederholt.
    »Hörst du«, keuchte er, »die alle haben nicht aufgegeben.« Er presste mich in wilder Erregung an sich. »Die Elefanten und wir! Wir waren die Ersten.«
    Der Pass war erreicht. Es war ein geräumiger Sattel, das wurde selbst im Schnee deutlich. Ein Elefant um den andern rückte an Hannibal vorbei. Die Tiere setzten die Schritte verwundert, als könnten sie nicht fassen, dass es noch eine Stelle auf der Welt gab, die nicht steil war.
    Auf dem Pass brach Tembo erschöpft zusammen. Suru und ein weiterer Elefant knieten neben seinen Flanken nieder und sie ruhten nicht und stemmten so lange, bis sie Tembo wieder auf die Beine gewuchtet hatten. Dann suchte Suru einen geschützten Platz und die Elefanten versammelten sich um ihn. Es waren neunzehn   – außer dem Zwerg hatten es alle geschafft.
    Die Wut des Himmels ließ nach. Es schneite zwar noch, aber der Schnee wurde nicht mehr gejagt, er fiel lautlos. Der Wind hatte aufgehört. Die Elefantenstanden dicht gedrängt, um einander zu wärmen. Wir hielten uns an sie, weil Wärme von ihnen ausging. Unmittelbar neben ihnen machten wir ein Feuer. Die Elefanten nahmen es hin. In dichten Trauben hockten die Treiber um das Feuer. Als die Packtiere eintrafen, wurden den Elefanten die großen roten Decken übergeschlagen, die zu ihrer Kriegsausrüstung gehörten. Sie bekamen auch Futter. Es war nicht mehr viel, was auf jeden von ihnen traf. Wir aßen, für uns gab es genug. Das Feuer taute uns auf.
    Da und dort standen Feuer im Schnee. Der Pass zog sich flach nach Süden hin und bot Platz genug für alle, die noch übrig waren.
    Karthalo saß neben mir. Er hatte mich in einen Pelz gewickelt. »Du hast dich wie Hannibal gehalten«, flüsterte er mir ins Ohr. Auch für Suru fand er große Worte, für alle Elefanten.
    »Und da gibt es Leute, die nennen sie lukanische Ochsen«, entrüstete er sich. Ich sah ihn verständnislos an.
    »Die Römer, wer sonst«, sagte er verächtlich. »Weil die ersten Elefanten ihnen in Lukanien begegneten, sagen sie lukanische Ochsen. Ochsen!«, grollte Karthalo. »Ich muss mich bei Suru für diese Unverschämtheit entschuldigen.« Er stand auf und ging zu den Elefanten hin, als wäre sein Vorhaben unaufschiebbar. Ich konnte nicht mehr aufstehen und zog die Decke enger um mich. Es schneite noch immer. In dem Weiß, das lautlos niederkam, nahmen sich die Feuer wie kleine Sonnen im Nebel aus. Ich sah auf die Feuer hin, bis Feuer und Schnee vor meinen Blicken verschwammen.

22
    Beim Aufwachen war mir warm. Ich schob es auf den Pelz, in den ich mich im Schlaf verkrochen hatte. Als ich aus ihm ausschlüpfte, schien mir die Sonne ins Gesicht. Um mich her war alles längst auf den Beinen.
    »Du Siebenschläfer«, lachte mich Karthalo aus, »es geht schon auf Mittag, hast du keinen Hunger?«
    Karthalo gab mir zu essen.
    »Du hast schon einiges versäumt«, sagte er. »Wir alle waren begraben. Tausende kleiner weißer Hügel   – unter jedem einer von uns. Und du stehst als Letzter auf!« Er zog mich hoch. »Wir hatten neunzehn weiße Elefanten. Die Elefanten, das ganze Heer unter einer Decke! Die Sonne hat sie weggezogen und hat das Gebirge hervorgeholt. Schau dich nur um!«
    Ich blinzelte, das grelle Licht biss in die Augen. Ich musste mich erst an die Sonne gewöhnen. Sie war stark und stand hoch am Himmel. Verwundert sah ich, was sie in ein paar Stunden fertig gebracht hatte.
    Bei Anbruch der Nacht war um mich eine kalte Wüste gewesen, ein trostloses Ende der Welt. Nun standen Bergriesen silbern im Blau des Himmels, eine unabsehbare Kette   – blitzend, als wäre das ihr erster Tag. Ein Gipfel tauchte hinter dem anderen auf. Mancher war vom Gefunkel so unruhig wie ein Stern bei großer Kälte. Sie schienen aus Eis zu sein; das Wunderbare aber war, dass Wärme von ihnen herkam. Die weißen Gipfel halfen der Sonne, die Welt zu wärmen.
    Wo aber war die Welt,

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