Ich zog mit Hannibal
an, dass ich zweifelte, ob sie überhaupt Augen hatte.
»Lasst sie, sie ist verrückt«, sagte Hannibal und wandte sich zum Gehen. »Die tut keinem etwas.«
In der Nacht ging das Haus, in dem die Uralte wohnte, in Flammen auf. Das Feuer breitete sich so rasch aus, dass fast der ganze Ort niederbrannte. Die Verwundeten hatten keine Bleibe mehr.
Dem Heer hatte das Feuer nichts anhaben können. Für die Söldner waren Zelte rings um den Ort aufgeschlagen worden. Auch der größte Teil der erbeuteten Vorräte war bereits aus dem Ort gebracht, der von Anfang an allen unheimlich gewesen war.
Die Elefanten hatten sich für die Nacht in einer Senke eingerichtet, um vor Winden geschützt zu sein. Sie sahen das Feuer nicht. Der Widerschein, der über den Himmel und die Bergwände geisterte, das Prasseln der Flammen ließ die Elefanten zwar unruhig werden, aber den Indos gelang es, ein Ausbrechen zu verhindern. Suru und einige andere verhielten sich überhaupt so, als sei nichts zu befürchten. Sie täuschten sich nicht – von den Flammen drohte den Elefanten keine Gefahr.
Als der Ort zu einem schwarzen Flecken gewordenwar, standen die siebenundzwanzig grauen Riesen abmarsch bereit. Hannibal stellte sie nun an die Spitze. Bei Tagesanbruch setzte sich der Zug in Bewegung. Es war der vierte Tag, seit der Aufstieg begonnen hatte. Der Tag war klar. Das Gebirge schien ausgestorben.
20
Aber es gab noch Menschen; auch Männer waren übrig geblieben. Gegen Mittag, im hellsten Licht, kamen dem Zug Leute entgegen, von denen nicht viel zu sehen war. Sie trugen Zweige vor sich her.
»Wollen die nicht, dass man sieht, wer sie sind?«, fragte Hannibal, der hinter mir auf Suru saß.
Acht ältere Männer kamen schließlich hinter dem wandernden Gesträuch zum Vorschein.
»Bettler«, urteilte Hannibal bei ihrem Anblick, »die wollen um Frieden anhalten.«
Er stieg nicht von Suru, als die acht Alten herangekommen waren. Maharbal, Monomach, Silenos und Mago, alle zu Pferde, kamen nach vorn. Die acht Männer, von Reitern umstellt, sahen bedrückt zu Hannibal auf und der Älteste von ihnen sagte: »Wir gehören zum selben Volk wie die Männer, die gegen euch zu den Waffen gegriffen haben. Auch wir sind Allobroger, aber wir sind nicht mehr gegen euch. Der schwarze Flecken, der jetzt dort ist, wo noch gestern ein großer Ort war, hat uns belehrt. Eure Götter müssenmächtiger sein als die unseren. Deshalb wollen wir nicht eure Übermacht versuchen, sondern euch dienen. Ihr wollt über das Gebirge, in dem wir zu Hause sind. Wir kennen die Übergänge und wissen, welche Wege für ein Heer am besten zu gehen sind. Wenn ihr wollt, führen wir euch zu dem Pass, der Menschen und Tieren am wenigsten zu schaffen macht. Und falls es noch Gebirgler geben sollte, die gegen euch sind, werden wir sie davon abbringen.« Die acht Männer legten die Zweige vor Surus Füße, und der Älteste sagte: »Diese Zweige sind Zeichen unserer Freundschaft. Wir bitten euch, nehmt sie an!«
Hannibal ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Aber Suru griff ohne Zögern nach den Zweigen und verzehrte sie mit Behagen. Das Gesicht des Ältesten hellte sich auf, er meinte lebhaft: »Er nimmt an, er ist unser Freund.«
»Täuscht euch nicht«, sagte Hannibal mit karthagischen Worten, »er meint die Zweige, nicht euch.« Dann sagte er auf Keltisch: »Wären alle anderen uns so entgegengekommen wie ihr, gäbe es in der Schlucht keine Toten. Wenn ihr etwas gutmachen wollt – wir haben nichts dagegen. Führt uns zum Pass!«
Die alten Männer zeigten sich erfreut, dass ihr Angebot angenommen wurde. Den Zug entlang verbreitete sich im Handumdrehen die Nachricht, dass sich bei Hannibal wegkundige Führer eingefunden hätten, und die Stimmung beim Heere hob sich beträchtlich. Als Unterhändler wurden die Männer nicht ernst genommen. Für wen auch hätten sie sprechen sollen? Für geflohene Weiber und Kinder? Diewaffenfähigen Männer waren aus dem Wege geschafft. Aber als Führer in der Bergwildnis waren diese Leute von unschätzbarem Wert, so dachten alle.
Die Männer gingen vor dem Zuge her. Hannibal blieb mehr und mehr zurück, und als er genügend Abstand hatte, beriet er im Reiten mit seinen Vertrauten.
»Was haltet ihr von ihnen?«
»Es kommt uns zugute, dass sie Angst vor uns haben«, meinte Monomach. »Was den Weg angeht, kann uns jetzt nichts mehr passieren.«
Auch Maharbal und Mago sahen es so an.
»Und du?«, fragte Hannibal Silenos.
»Sie hatten ihre
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