Ich zog mit Hannibal
– und nicht ein Schiff zu unserer Rettung. Wir haben nur uns selbst. Aber ist das nicht genug? Ihr kennt mich: Ich bin unter euch aufgewachsen, jeder von euch hat erlebt, wie ich mit Feinden umgehe. Jeden von euch kenne ich und weiß, was ich von ihm zu halten habe. Uns hat der Krieg groß gemacht, in ihm sind wir zu Hause wie die Fische imWasser, die Vögel in der Luft. Uns stehen Neulinge gegenüber, in aller Eile ausgehoben und unerfahren. Als Feldherr ist dieser Scipio erst ein halbes Jahr alt – als Anführer ist er in einem Alter, in dem ein Kind noch nicht einmal laufen kann. Und so einer nennt uns seine Sklaven! Die Römer, das verspreche ich euch, werden eure Sklaven sein; jeder von euch wird zwei Römer zu Sklaven haben. Sie haben unsere Auslieferung als Verbrecher verlangt, Folter und Tod hatten sie uns zugedacht. All das wird ihnen zufallen. Ihr sollt ihre Äcker und Gärten bekommen, ihre Häuser und ihre Habe. Am Ende werden sie nichts besitzen – ihr alles.«
Hannibals Worte rissen die Söldner und Hilfstruppen zu ungezügeltem Beifall hin. Die Elefanten wurden unruhig. Hannibal ließ sie wegführen. So sah ich nicht mehr, was nun auf dem Platz geschah. Um die Kampflust der Söldner noch mehr anzufachen, ließ Hannibal die hundert gefangenen Tauriner ins Lager bringen. Ihnen wurde freigestellt, um ihr Leben zu kämpfen. Es waren fast nur junge Leute und sie griffen den Vorschlag begierig auf. Manche zeigten mit Tanzsprüngen ihre Bereitschaft, sich mit einem Gegner zu messen, bis einer ausschied. Dass Tauriner gegen Tauriner standen, hielt sie nicht ab. Sie wurden mit Waffen ausgerüstet und den Siegern schenkte Hannibal ein Pferd. Gebrüll zeigte an, wenn ein Kampf zu Ende war. Karthalo, der einen Teil dieser Kämpfe gesehen hatte, kam mit hochrotem Gesicht aus dem Lager. Er wurde nicht müde, die Tapferkeit dieser Todgeweihten zu rühmen. »Die übrig blieben, kämpfen jetzt auf unserer Seite«, berichtete Karthalostolz. »Wer außer Hannibal bringt das fertig: Aus Feinden von gestern macht er Bundesgenossen; aus Bojern, Insubrern, Salassern, Taurinern macht er Karthager; aus einem mutlosen Haufen ein Heer. Und da wagt diese Römerbrut –« Er verlor sich in Hetzreden gegen Scipio und seinesgleichen, verdächtigte die Römer jeder nur erdenklichen Gemeinheit und prophezeite, dass ihr Untergang unmittelbar bevorstehe.
Eine Ungeduld, die er nicht abschütteln konnte, hatte sich seiner bemächtigt. Ihn zog es nach Karthago. An den Abenden glühte sein Gesicht. Unter den Augen hatte er tiefe Schatten. Ich sah es mit Besorgnis und sprach mit Silenos darüber. Silenos sorgte dafür, dass Synhal Karthalo untersuchte. Er gab Karthalo eine Salbe, mit der er Brust und Rücken einreiben sollte. Wenn ich den Rücken einrieb, hörte ich, wie Karthalos Atem rasselnd ging. – Die Römer wegfegen, heim nach Karthago!, hörte ich ihn immer häufiger sagen.
25
Hannibal rückte am Ticino entlang auf den Po zu. Die warmen Tage hielten an, obgleich der Winter vor der Tür stand. Die Sonne belebte Menschen und Tiere, die Söldner konnten es kaum erwarten, den Feind zu Gesicht zu bekommen. Am dritten Tage nach dem Aufbruch von der Stadt der Tauriner ließ Hannibal ein festes Lager beziehen. Ihm war es nicht geheuer,dass er nicht auf die Legionen Scipios stieß. Das Gelände war unübersichtlich, er fürchtete in eine Falle zu geraten. Am nächsten Morgen brach er mit der Reiterei auf, um auf breiter Front zu erkunden, wo der Feind sich aufhielt. Gehölze wurden durchgekämmt, Schluchten durchstöbert, Höhen abgesucht. Der Tag wurde heiß. Die Hufe der Pferde lösten Staubwolken von der Erde.
Hannibal ritt mit Maharbal und Mago und kleinem Gefolge eine Hügelkette hinauf. Was er dort oben sah, nahm ihm den Atem: Er hatte die Reiterei der Römer vor sich. Scipio war wie Hannibal auf der Suche nach dem Gegner. Auch der römische Konsul mochte etwa dreitausend Reiter hinter sich haben. Auch er war dabei, sich auf der Hügelkette festzusetzen.
Hannibal war ihm zuvorgekommen und nun rückte er den Römern unverzüglich entgegen. Maharbal und Mago zogen die Flügel der Reiterei auseinander. Gedeckt durch die Höhen, gelangten die Numidier in die Flanken der Römer. Der Zusammenstoß der Fronten war so heftig, dass viele Reiter aus den Sätteln geschleudert wurden. Erbittert kämpften sie zu Fuß weiter. Verwundete Pferde richteten Verwirrung an, in kurzer Zeit war das Feld von Toten und Verwundeten
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