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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Baumann
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unsicher gemacht hatte, durch Stämme.
    Als am dreizehnten Tag die Sonne im Süden stand, war der Weg frei. Elefant um Elefant, Pferd um Pferd,Mann um Mann brachten den Weg hinter sich, der stellenweise nur einige Fuß breit war. Die Elefanten hatten am wenigsten Angst. Dennoch ging auch von ihnen einer verloren, als sich ein Stamm löste. Ein neuer Stamm wurde eingesetzt und fest verankert. Einige Pferde, die scheuten, bekam der Abgrund noch, aber nicht einen Mann.
    Keiner von uns hatte während der Nacht ein Auge zugemacht. Wir hatten Holz herbeigeschleppt, um das Feuer zu füttern, Schnee zusammengescharrt und in Kesseln geschmolzen und mit Feuer und Wasser hatten wir aus dem weißen Stein den Tod ausgetrieben. Aber nun waren wir alle nur noch Gespenster. Die Elefanten spukten, ungeheuerliche Schatten, lautlos ins Tal.
    Die Luft wurde wärmer. Wir stießen an Wurzeln und traten auf Grasbüschel. Verstohlen warfen wir einander Blicke zu, aber wir hüteten uns, etwas zu sagen; wir hatten Angst, beim ersten lauten Wort aus einem Traum aufzuwachen.
    Sobald das Gelände eine Rast erlaubte, ließ Hannibal halten. Viele von uns sanken auf der Stelle um und schliefen ein.
    »Was für schöne Bäume!«, hörte ich Karthalo sagen. Ich sah, wie Suru auf Bäume zuging. Als das Getöse der Elefantenmahlzeit begann, war ich schon halb hinüber. Karthalo beugte sich zu mir.
    »Siebzehn sind durchgekommen«, sagte er mit einem Gesicht, als wäre der Krieg vorbei und gewonnen.

24
    Am zweiten Abstiegstag ging es durch das Gebiet der Salasser. Auch von ihnen hatte Magal auf der »Insel« gesprochen: »Durch das Land der Salasser, die eure Freunde sind, werdet ihr zuerst kommen   …«
    Die Salasser, die sich am Wege zeigten, benahmen sich nicht wie Freunde, auch nicht wie Feinde   – sie wussten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten, taten überrascht, verlegen, und die Kinder erschraken bei unserem Anblick und liefen davon. Die Salasser hatten ein Heer erwartet; nun kamen Haufen zerlumpter Gestalten, von denen manche nicht einmal mehr Waffen hatten. Halb Verhungerte mit verwilderten Gesichtern schleppten sich zu Tal. Wir kamen wie Geschlagene und konnten uns kaum auf den Beinen halten. Selbst die Furcht erregenden grauen Tiere, die den Gespensterzug anführten, wankten so sehr, als könnten sie jeden Augenblick niederstürzen. Viele von uns waren verwundet und bleich wie Tote und in den Augen hingen die Schatten der überstandenen Schrecken. Das sollten Eroberer sein, Unbesiegbare? Die Salasser hatten römische Heere gesehen. Sie wussten, dass Rom Legionen gegen Hannibal in Marsch gesetzt hatte. Wollten diese Schatten von Söldnern Rom niederwerfen?
    Die Salasser gaben den Männern Hannibals, was sie haben wollten, aber sie gaben es ihnen, wie man Bettler abspeist. Sie hielten ihre Häuser offen, aber sie blieben in der Tür, kamen nicht entgegen   – und keiner dachte daran mitzukommen. Das Äußerstewar, dass sie sich Waffen abhandeln ließen. Und die meisten sahen von ferne her, stumm, in einer Haltung, die erkennen ließ, dass sie mit ihren Befreiern nichts zu tun haben wollten.
    An diesem Tage wurde der Rand der Ebene erreicht. Nur zwei Tage hatte der Abstieg gedauert, es hatte nirgendwo Widerstand gegeben, nirgendwo einen Hinterhalt, nirgendwo eine feindliche Regung   – aber das Heer war auf Schritt und Tritt auf Mitleid gestoßen; das war weit schlimmer als Feindschaft. Die Söldner empfanden es als Schmach, bedauernden Blicken ausgesetzt zu sein. Auch Karthalo war niedergeschlagen. Er versuchte es vor mir zu verbergen, aber ich sah ihm an, dass Enttäuschung an ihm fraß. Er fieberte wieder stärker. An Schonung dachte er nicht.
    Hannibal ließ an einem kleinen Fluss halten. Die Elefanten wateten in das Wasser, obgleich es kalt war. Suru blieb länger als die andern im Fluss. Immer wieder kühlte er seine Brust. Karthalo wurde aufmerksam. Als Suru endlich ans Ufer stieg, untersuchte er ihn.
    »Er hat Fieber«, sagte er besorgt, »er muss Schmerzen haben.« Und dann entdeckte Karthalo den Fieberherd: An der Brust, dort, wo sie in den Hals übergeht, war eine Geschwulst. Eine mächtige Eiterbeule war unter der faltigen Haut versteckt. Karthalo tadelte sich, dass er das jetzt erst bemerkte. »Es muss ihn schon tagelang quälen.« Er suchte in seinen Taschen, fand Brot und einen Rest Salz und gab Suru die Leckerbissen. Dann nahm er den Rüssel und rieb sein Gesicht daran. Nebenbei redete er mit mir; er verlangte,

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