Ich zog mit Hannibal
stromaufwärts eine seichtere Stelle zu suchen. Als sie gefunden war, ließ Hannibal einen Damm bauen, um die Gewalt der Strömung zu brechen. Er baute ihn aus den Elefanten. Elefant stand an Elefant; die Tiere waren, von Suru geführt, willig ins Wasser gegangen und hielten sich still, halb gegen den Strom gekehrt. Im beruhigten Wasser setzten Söldner und Pferde über, schwimmend, watend, an Fellsäcke geklammert. An Feuern wurden Mann und Pferd wieder trocken. Hannibal ließ Zelte aufstellen. Der Krieg schien in weite Ferne gerückt. Söldner und Reiter gaben sich unbedenklich dem Schlaf hin. Auch Treibersah ich an Feuern schlafen. Karthalo kam nicht zur Ruhe. Er wollte, dass wir die Nacht bei Suru verbrächten, und so legten wir uns inmitten der Elefanten nieder. Ich horchte auf Karthalos Atem. Er beruhigte sich, aber er schlief nicht ein. Auch die Elefanten fanden lange keinen Schlaf, obgleich sie bewegungslos standen. Stundenlang hielten sie noch die Ohren so, dass sie alle Geräusche auffingen. Erst als die Nacht auf ihre Mitte zurückte, fühlten sie sich so sicher, dass sie es aufgaben zu lauschen. Nun wurde auch Karthalo ruhiger. Ich entdeckte über mir eine dunkle Straße, die mitten durch die Sterne führte. Es war Surus Rüssel. Ihn sah ich an, bis ich einschlief.
26
Durch Späher erfuhr Hannibal, dass Scipio mit seinen Legionen bei der Stadt Placentia ein Lager bezogen habe. Hannibal war entschlossen, seinen Gegner zu stellen oder wenigstens vor sich herzutreiben – zur Ruhe kommen lassen wollte er ihn nicht mehr. So schickte er dem Feind Maharbals Reiterei auf den Hals. Es gelang, einige Kohorten vom Römerlager abzuschneiden. Sein eigenes Lager schlug Hannibal unmittelbar unter den Mauern der Stadt auf, den Römerschanzen herausfordernd benachbart. Aber Scipio ließ sich nicht auf eine Schlacht ein. Er litt an der Wunde, die er am Ticino empfangen hatte, und wollteauf Verstärkung warten. Seine Unsicherheit griff auf die Legionen über, besonders auf die italienischen Hilfstruppen in seinem Lager; und eines Nachts wurden die Wachen an den Lagertoren überrumpelt: Zweitausend Söldner und zweihundert Reiter brachen aus. Römer, die den verräterischen Ausfall verhindern wollten, wurden niedergemacht. Die Karthager empfingen die Überläufer mit offenen Armen. Hannibal schickte sie in ihre Heimat. Dort sollten sie als Werber auftreten und »jeder mit zehn Mann« wiederkommen, um mit Hannibal für die Freiheit vom Römerjoch zu kämpfen. Noch gab es Kelten, die abwartend zusahen, sogar in nächster Nachbarschaft. Hannibal forderte sie auf, sich auf seine Seite zu stellen. Als sie nach Ausflüchten suchten, griff er härter zu. Einige Orte gingen in Flammen auf. Die numidischen Streifen, die über die erschreckten Bewohner herfielen, ließen leere Landstriche zurück. Wer mit dem Leben davonkam, ergab sich nun in sein Schicksal und schwenkte zu den Karthagern über. Von den Römern, das hatte sich erwiesen, war keine Hilfe zu erwarten; sie hatten genug damit zu tun, sich selbst zu schützen.
Die erzwungenen Bundesgenossen teilten sich mit den Karthagern ihre Vorräte, aber sie lebten selbst nicht im Überfluss und Hannibal war genötigt, seine Söldner vorübergehend auf halbe Rationen zu setzen. Da glückte ihm ein Handstreich: Durch Mittelsmänner war er mit dem Kommandanten der Römerstadt Clastidium in Verbindung getreten und der Kommandant ließ sich bestechen. Für nur vierhundert Goldstücke verkaufte er den Karthagern den Platz. Mitdem Hungern war es zu Ende. Die Kornspeicher der Stadt waren gefüllt. Hannibal gewährte der Besatzung und den Bewohnern freien Abzug.
Die Tage wurden merklich kürzer. An den Abenden stiegen Nebel aus dem Po und der Trebia und dann verschwand das Land und blieb bis tief in den Tag hinein versteckt. Das Lager lag wie eine versunkene Insel in einem Meer, das aus Nebel und Kälte gemischt war. In den Nächten war es unheimlich still. Der Nebel schluckte die Schritte der Posten und das Knistern der Lagerfeuer.
In einer solchen Nebelnacht entwich Scipio mit seinen Legionen über die Trebia. Nicht einmal die karthagischen Vorposten bemerkten, dass die Römer abzogen. Als am späten Morgen der Nebel sich lichtete und Alarm geschlagen wurde, stürzten sich Numidier und Balearen und Kelten beutegierig auf das verlassene Lager, statt die Verfolgung aufzunehmen. Maharbals Reiter holten lediglich Nachzügler ein. Die Hauptmacht war bereits wieder in einem Lager
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