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Idealisten der Hölle

Idealisten der Hölle

Titel: Idealisten der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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Wendover begann geistesabwesend, einen losen Faden aus seiner Manschette zu ziehen. »Was will Zinnhaus von mir? Du hast den Weg nicht gemacht, nur um mir dein Schoßtier zu zeigen?«
    »Wir haben ein Problem. Für Sie ein berufliches Problem.«
    »Ihr braucht einen Medizinmann?«
    »Ach, scheiß drauf …« Harpers Lippen wurden schmal, und seine Kinnmuskeln standen straff hervor. Er war wirklich sehr jung.
    Es folgte ein Schweigen, das von dem gierigen Grunzen des Wolfshundes unterstrichen wurde, der die Pfanne mit der Nase auf dem Fußboden umher schubste in dem Versuch, an das saftig Geronnene in den Ecken zu gelangen. Harper zog seine Knie bis zum Kinn an, schlang seine Arme darum und sprach in das Feuer.
    »Wir hatten eine Geburt. Es wäre besser, wenn Sie gleich mitkommen würden.«
    Er stand auf, ohne den Arzt anzusehen, und hinkte zur Tür. Der Hund hielt augenblicklich mit seiner Beschäftigung inne. Er sah auf, knurrte Wendover an und folgte dann kopfnickend.
    Wendover ließ die Hand in die Manteltasche gleiten und tastete nach der Pistole. Sie war noch da. Er wühlte in dem Gerümpel und zog den zerlumpten Seesack hervor, der sein lächerliches medizinisches Werkzeug enthielt. Harper beobachtete ihn von der Tür, sein Blick glitt über das Schlachtfeld. »Wissen Sie, Doktor«, sagte er, »Sie könnten einen Laden aufmachen mit dem Zeug. Es ist eine ziemlich vielversprechende Sammlung.«
    Draußen riß der Wind an ihren Ohren, ließ den Hund im Kreis herumsausen, wirbelte die Oberfläche des Kanals zu einem Netz von kleinen Wellen auf. Er pfiff stürmisch durch das Gestrüpp und ratterte an einer losen Platte auf der zertrümmerten Motorhaube des Turbinenwagens, der zehn Meter entfernt am Ende des Schlammpfades stand. Es war ein großes, beeindruckendes Fahrzeug, heruntergewirtschaftet und aus dem Gefüge. Rostflecke überzogen die ganze Länge einer Seite wie Klauenspuren von einer Stahlbestie. Die tiefrote Zellulose schlug Blasen, die Chromstoßstange war krumm gestoßen, es war schäbig wie das Make-up einer alten, rot angemalten Nutte. Und wartete auf zwei Landstreicher, dachte Wendover. Was ein ziemlicher Abstieg ist.
    Gegen den Wind gestemmt, seinem Hund gelegentlich etwas zurufend, kämpfte sich Harper zu dem kurzen, untersetzten Jungen hinüber, der an der Fahrertür lehnte und, mit seinem großen, puppenhaften Kopf nickend, melodienlos in den Wind pfiff.
    Sie führten zur Begrüßung einen Boxkampf auf, der Wolfshund sprang mit gespielter Wildheit um sie herum und bellte theatralisch. Der Aufruhr legte sich, als Wendover sich näherte. Harper sagte, schwer atmend und mit gerötetem Gesicht: »Doktor, das ist Arm.« Seiner Stimme haftete ein leichter Anflug von Formalität an. Das Kind trat vor und streckte die Hand zum Gruß aus.
    Sie war groß und spatenförmig und von schwarzem Haar überzogen. Sein linker Arm hing, am Ellbogen verkrüppelt, an einem muskulösen Erwachsenenkörper; seine Fingerspitzen streiften die Knie. Seine Beine – aufgeputzt in abgeschnittenen schlotternden Op-art Hosen – hätten die eines fünfjährigen Kindes sein können, wären sie nicht, nachdem sie über vierzig Jahre lang den Körper auf dem winzigen Becken getragen hatten, krumm und gebogen gewesen. Uralte Augen von der Farbe alten Zements lasteten unter einer einzigen drückenden Augenbraue hervor schwer auf Wendover.
    Erschüttert zögerte Wendover und blickte einfältig auf die ausgestreckte Hand.
    »Verpiß dich doch, wenn dir danach ist«, sagte der Zwerg ungerührt. Seine Stimme war ein gurgelndes, nasales Knurren.
    Wendover schüttelte die Hand, die vernarbt und ungeheuer hart war und deren Fingernägel schwarzgerändert waren und murmelte: »Es tut mir leid, ich …«
    »Vergiß es. Dein Gesicht sieht auch nicht allzu gut aus.«
    Sein Mund teilte sich grotesk und legte schartige braune Zähne frei. Er feixte. Seine Schultern zuckten.
    »Er mag Sie«, sagte Harper.
    Jemand hatte den Fahrersitz des Turbo hinausgeworfen und eine niedrige Kiste über die abgesägten herausragenden Zapfen gestülpt. Die Pedale waren mit Teilstücken von zwei zu vierversehen, so daß der Zwerg sie erreichen konnte. Harper saß eingezwängt im Fond. Der Hund sabberte auf ihn. In dem engen Raum stank es. Arm ließ die Antriebsräder überflüssigerweise durchdrehen und jagte das Fahrzeug in einem Wirbel von Schmutz und Lärm den Weg hinauf.
    »Wie ist der Strahlenstand?« fragte Wendover Harper, ohne große Hoffnung, daß sich

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