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Idealisten der Hölle

Idealisten der Hölle

Titel: Idealisten der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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durchquerten, der vom achtzehnten Stockwerk hinunterrauschte, glitt Morag aus. Wendover, der das Bewußtsein wieder verloren hatte, rutschte auf dem Rücken bis zum nächsten Stockwerk hinunter. Harper folgte ihm mit seltsam hölzernen Sprüngen und griff nach seinen Schultern. Er war unverletzt, aber es hatte sie alle aus der Fassung gebracht. Später stießen sie auf die Skelette einer toten Familie von Treppensiedlern, die von einer wahnsinnigen Hand über die Stufen geschleudert waren. Zum Erdgeschoß hin gab es häufiger Hinweise auf diese seltsamen Bewohner – Werkzeuge aus alten Dosen und Autoteilen, schwarze Feuerstellen, Mosaiken und Müllhaufen in den Nischen. Sie sahen niemanden und waren froh, als sie hinaustraten.
     
    *
     
    Draußen war es noch immer wolkig, aber der Wind hatte sich gelegt.
    Sie standen im Schatten des Hochhauskomplexes, der die Bibliothek beherbergte, fröstelten und blickten zu seiner erdrückenden Größe auf. Ladebäume aus Beton verloren sich deutlich abgehoben bis zu der Stelle, wo Rauch wie eine winzige Wolke um eine Bergspitze hing, und sogar noch darüber hinaus.
    Hinter ihnen waren die Straßen ruhig, überfüllt mit ausgebrannten, verrosteten Fahrzeugen. An den Kreuzungen standen noch die Verkehrsschilder.
    »Laßt uns gehen«, sagte Harper, dem in dem riesigen Schatten nicht wohl war.
    Arm schüttelte den Kopf. »Warte noch einen Augenblick. Wir brauchen den« – dabei deutete er auf die Geisel, die schnüffelte und versuchte, in den Schutz der Eingangshalle zurückzugelangen – »nicht mehr. Ich möchte den wahren Grocott Personal sehen.«
    Er stellte dem unglücklichen Buchhalter ein Bein und brachte ihn zu Fall. Er schlug mit dem Pistolenlauf auf ihn ein, riß die schwarze Jacke auf und versetzte der ungeschützten Brust eine leuchtend rote Scharte.
    »Schlag nicht noch einmal einen kranken Kerl«, erklärte er.
    Personal wimmerte verloren hinter seiner Maske.
    Der Zwerg griff mit gekrümmten Fingern nach dem Pappmachegebilde, an der Stelle, wo die feuchte Reise die Treppe hinunter sie aufgeweicht hatte. Einzelne Fetzen lösten sich unter seinen Fingern, und bald hatte er ein beachtliches Loch gerissen. Personal wand sich davon und versuchte, die Hände schützend vor sein Gesicht zu legen. Er zitterte, seine Gedanken waren noch immer auf die Zuflucht des Gebäudes gerichtet. Arm schlug ihm mit dem Revolver auf die Hände, faßte sie und hielt sie fest, als sie von dem zerschmetterten Schädel flogen.
    »Oh«, sagte er. »Er sieht aus wie alle anderen.«
    Sie setzen sich in einer Richtung in Bewegung, die ihnen günstig schien. Bald wurde das Gebäude eines unter vielen.

 
VIII
DIE ERSTE BEGEGNUNG
     
    Schroffes Gestrüpp säumte die Autobahn, wurde dichter, als sie weiter in den Süden kamen. Harper führte die Gesellschaft die verlassenen Wege hinunter. Sein Hinken war nach tagelangem Laufen ausgeprägter, sein Körper knickte bei jedem Schritt ein. Steif und wortkarg ging er still einige Meter vor den anderen beiden her, seine Hände spielten ununterbrochen am Abzug von Personals Automatik (Wendover hatte die Smith & Wesson wieder an sich genommen und weigerte sich hartnäckig, sie aus der Tasche zu nehmen). Sein Gesicht war verschlossen und scharf gezeichnet, der raubvogelhafte Ausdruck seiner Nase durch die tierische Müdigkeit in seinen Augen hervorgehoben. Die Seemannsjacke, die in verschmutztem Zustand war, klappte auf, wenn er sich bewegte, die meisten ihrer Chromknöpfe fehlten. Er erinnerte an die Krähen, die ziellos zwischen den Bäumen umherflogen. Dann und wann irrte sein Blick zu der Pistole. Er schien jedesmal erstaunt, sie dort vorzufinden.
    Arm und das Mädchen zogen einen kleinen, roh gezimmerten Handwagen, der aus schlecht zusammenpassenden Brettern über den Achsen eines Satzes Kinderwagenräder zusammengebunden war. Die Räder waren zerbeult und quietschten in regelmäßigen Abständen. Zwischen einem traurigen Schrotthaufen von Kochgeschirr, das seinen eigenen Kontrapunkt zum Klagelied der verbogenen Räder setzte, lag Wendovers kranker Körper auf den Brettern ausgestreckt. Seine Füße hingen über das hintere Ende des Karren. Seine Augen waren geschlossen.
    Über ihnen tobte der Himmel grau und schwer. Das Kind wimmerte in einem behelfsmäßigen Tragegestell auf dem Rücken des Mädchens, seine dünnen Schreie wetteiferten mit dem Wind wie Möwengeschrei über dem melancholischen Rauschen der Flut. Weder Arm noch Morag sprachen

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