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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Signore.«
    »Der schlimmste Krake, den die Schöpfung je hervorgebracht hat.«
    »Ja, Signore.«
    »Weißt du, was ein Krake ist?«
    »Ja, Signore. In Grottammare habe ich sogar mal einen kleinen gefangen. Sie umschlingen einen mit ihren Fangarmen. Aber man
     braucht ihnen nur den Hals umzudrehen, und die Fangarme lassen los.«
    »Leider kann ich das mit dir nicht machen.«
    Es ist mir gleichgültig, was er sagt; Hauptsache, er spricht mit dieser leisen zischenden Stimme und sieht mich mit seinen
     Raubtieraugen an. Ich warte voller Wonne darauf, daß er mich anspringt und mich am Hals packt, um mich in seine Höhle zu schleppen
     und zu verschlingen.
    Das tut er dann auch, und als alles vorbei ist, sagt er nicht wie sonst: »Geh jetzt, Caterina, ich bin müde«, sondern zeigt
     sich zum Schwatzen aufgelegt. Denn er hat sich auf den Ellenbogen gestützt, und es hagelt nun Beschimpfungen auf mich herab,
     wobei er mich freundlich ansieht. Es ist der richtige Moment.
    »Darf ich Euch eine Frage stellen, Signore?«
    »Ja.«
    »Seid Ihr immer noch im Dienste des Fürsten?«
    »Nein, ich habe ihn verlassen. Ich bin nicht mehr sein Sekretär.«
    »Ihr seid also zu Eurer Alten zurückgekehrt?«
    Seine Augen verdunkeln sich, und er gibt mir eine tüchtige Ohrfeige. Noch dazu verdient.
    »Das wird dich Respekt vor der Signora Sorghini lehren. Und auch vor mir.«
    »Vergebung, Signore.«
    »Auf jeden Fall hab ich Signora Sorghini nie verlassen. Jetzt hat sich nur insofern etwas geändert, als ich Montegiordano
     nicht mehr betrete.«
    »Wie hat Euch der Fürst dann den Brief übergeben können?«
    Er zuckt die Achseln.
    »Kannst du nicht raten, durch wessen Vermittlung?«
    »Doch.«
    »Warum stellst du dann so dumme Fragen? Stelle ich dir vielleicht Fragen?«
    |213| »Ihr könntet mich zum Beispiel fragen, Signore, wie ich meine Sünde von Santa Maria gebeichtet habe«, schlage ich etwas gekränkt
     vor.
    »Das will ich gar nicht wissen. Ich nehme mit Sicherheit an, daß du meinen Namen nicht erwähnt hast.«
    »Seht Ihr, ich bin doch nicht so dumm.«
    Er lacht, legt mich auf den Rücken, bedeckt mich mit seinem großen Körper, greift meine Handgelenke und drückt sie mit ganzer
     Kraft aufs Bett nieder. Nachdem er mich so zur völligen Bewegungslosigkeit gezwungen hat, preßt er seine Stirn gegen meine,
     reibt seine Nase an meiner und sagt mit zusammengebissenen Zähnen:
    »Doch, du bist dumm, Caterina! und außerdem bist du häßlich! Und wie häßlich! Du bist das häßlichste Mädchen in ganz Italien!
     Und deine Brüste sind schlaff und unförmig wie ein Sack Korn auf dem Rücken eines Esels.«
    Er sieht mich mit seinen Raubtieraugen an, und ich kann in diesem Moment nur das eine denken: vergewaltige mich! Es ist köstlich,
     von einem Mann, den man liebt, vergewaltigt zu werden. Nur ist es dann natürlich keine Vergewaltigung mehr. Nichts ist vollkommen.
    Am nächsten Abend, pünktlich zehn Uhr, kommt Marcello wieder, als ich gerade das Haar der Signora bürste … Man könnte sicherlich
     die Frage stellen, warum ich ihr das Haar abends und nicht morgens bürste. Ich habe keine Wahl: ich bürste es morgens und
     abends. Abends, um es zu entwirren und dann in Zöpfe zu flechten – sehr lockere Zöpfe, die nicht zu sehr am Kopfe ziehen,
     gleichwohl aber verhindern, daß sich das Haar nachts verfitzt. Und morgens bürste ich wieder, um die Zöpfe »in einen einzigen
     wogenden Mantel aufzulösen«. So jedenfalls nennt Signora Tarquinia diese Prozedur.
    Kurz und gut, mein Marcello erscheint wie immer, ohne sich anzumelden, er, der mir vorwirft, nicht bei ihm anzuklopfen! Wortlos
     und ohne uns eines Blickes zu würdigen, legt er einen versiegelten Brief auf die Schmuckkassette. Als habe Vittoria den ganzen
     Tag nur auf diesen Moment gewartet, ergreift sie ihn sogleich, steckt ihn an einer Kerze in Brand, legt ihn in eine Schale
     und sieht zu, wie er verbrennt. Das heißt, wir alle drei sehen zu.
    Keiner sagt ein Wort. Die Signora verbietet Marcello nicht, |214| weitere Briefe zu überbringen, und Marcello entlockt ihr auch nicht den Hinweis, daß er sich künftighin den Weg schenken könne.
     Mit einem leichten Kopfnicken verabschiedet er sich. Als ich ihn dann später aufsuche und mit ihm sprechen will, befiehlt
     er mir barsch, zu schweigen.
    Diese stumme Szene wiederholt sich am nächsten, am übernächsten und jeden weiteren Abend – eine ganze Woche lang. Und ich
     frage mich, was der Fürst der Signora wohl

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