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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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des Fürsten muß sie wohl ein Widerwille gegen den armen Signore
     gepackt haben, und sie ließ es ihn nun teuer bezahlen, daß sie gehalten war, ihn ihrem Helden vorzuziehen. |210| So sind wir Frauen, wenn wir vom Dämon besessen sind: zu gut zu dem einen, zu dem anderen zu hart.
    Wir waren noch keine zwei Wochen wieder in Rom, da trat, ohne anzuklopfen, Marcello ins Zimmer der Signora, als ich gerade
     damit beschäftigt war, ihr Haar zu bürsten.
Madonna mia!
Schon bei seinem Anblick beginnt mein Herz zu klopfen! Und nicht nur das Herz! Dabei würdigt der Bösewicht weder mich noch
     seine Schwester eines Blickes. Kaum daß er im Spiegel schnell einmal zu ihr hinsieht! Er kramt aus dem Armausschnitt seines
     Wamses einen Brief hervor und legt ihn wortlos auf die Schmuckkassette vor die Signora hin.
    »Von wem ist der Brief?« fragt sie mit unbewegtem Gesicht.
    »Erratet Ihr es nicht?« erwidert er kalt. »Muß ich es Euch sagen?«
    Sie zögert keinen Augenblick. Sie nimmt den Brief, zündet ihn an einer Kerze an, legt ihn auf eine Schale und sieht zu, wie
     er verbrennt. Ihr Schutzengel muß mit ihr zufrieden sein. Ich an seiner Stelle würde mich trotzdem ein wenig beunruhigen.
     Zwar hat sie den Brief verbrannt, ihrem Bruder aber mitnichten befohlen, nicht weiter den Mittelsmann zwischen ihr und dem
     Fürsten zu spielen. Sie hat zu große Angst, er könnte ihr gehorchen.
    Marcello verabschiedet sich alsbald von ihr, wenn man es denn so nennen kann: im Gehen grüßt er mit einem schlichten Kopfnicken,
     wobei er auch mich nicht ansieht. Ich bürste wieder weiter; das Herz ist mir schwer, da ich nicht weiß, ob ich es wagen soll,
     nach meinem Dienst Marcello in seinem Zimmer aufzusuchen. Aber ich habe nicht lange Zeit zum Grübeln, denn die Signora sagt
     mit klangloser Stimme zu mir:
    »Es ist jetzt genug, Caterina, geh schlafen.«
    »Aber ich habe gerade erst die Hälfte, Signora.«
    »Diskutier nicht!« fährt sie mich an. »Mach, was ich dir sage!«
    Trotzdem räume ich noch ein wenig den Frisiertisch auf, mache aber nicht zu lange, um die Signora nicht zu verärgern. Sie
     starrt die Asche in der Schale an, als könne ihr Blick durch Zauberei den Brief wieder daraus erstehen lassen, den sie nicht
     gelesen hat. Doch solches hätte nur der Teufel vermocht. Und wer wollte den nach allem, was in Santa Maria geschehen war,
     rügen, sich nun etwas abseits zu halten?
    »Gute Nacht, Signora.«
    |211| Eine bloße Redensart: es würde mich sehr wundern, wenn sie eine gute Nacht hätte. Sie antwortet nicht, sie hat mich nicht
     gehört. Als ich über die Schwelle trete, wird mir der Grund bewußt, weshalb sie mich so früh entläßt: nicht um allein zu sein,
     sondern weil sie hofft, ich würde zu Marcello gehen und Nachrichten aus ihm herauslocken, nach denen sie selbst nicht zu fragen
     gewagt hat. Braves Mädchen, das ich bin, bin ich zufrieden, ihr diesen Dienst zu erweisen. Und ich muß gestehen, ich bin auch
     darum zufrieden, weil ich Marcello nun mit gutem Grund aufsuchen kann.
    Er ist gerade mit Ausziehen fertig, als ich, ohne anzuklopfen, in sein Zimmer trete. Er ist so schön, ich begehre ihn so sehr,
     daß meine Kehle trocken wird und meine Beine heftig zittern. Doch der Empfang ist eisig.
    »Was machst du hier?« fragt er und sieht mich finster an.
    »Mit Eurer Erlaubnis, Signore, komme ich Euch besuchen.«
    »Meine Erlaubnis? Welche Erlaubnis? Habe ich dich zu kommen gebeten?«
    »Nein, Signore.«
    »Kann denn hier jeder nach Belieben ein und aus gehen, ohne anzuklopfen?«
    »Signore, ich habe nicht gewagt zu klopfen«, sage ich.
    »Was heißt: ›nicht gewagt‹?«
    »Wenn ich geklopft hätte, hättet Ihr gefragt, wer da ist.«
    »Natürlich. Und?«
    »Ich befürchtete, daß Ihr mir bei Nennung meines Namens gesagt hättet: geh weg!«
    »Na gut, dann sag ich es dir jetzt: geh weg! Was ist da für ein Unterschied?«
    »Der Unterschied ist, daß ich Euch nun gesehen habe«, sage ich demütig, aber gleichzeitig gleiten meine Blicke unverschämt
     über seinen ganzen Körper.
    Er lacht. Das Spiel ist gewonnen, denke ich. Doch da ich genau weiß, daß man bei ihm noch in letzter Minute alles verlieren
     kann, warte ich bescheiden ab. In ganz Rom gibt es keine unterwürfigere Sklavin als mich! Ich pfeife auf meinen Stolz.
    »Zieh dich aus«, befiehlt er endlich.
    Meine Hände zittern vor Ungeduld, weil ich so viele Kleidungsstücke aufknöpfen muß.
    »Weißt du, was du bist, Caterina?«
    |212| »Nein,

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