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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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daran getan,
     denn es vergeht eine reichliche Minute, bis mir Folletto öffnet. Im Allerheiligsten bemerke ich sofort, daß die Bettvorhänge
     wiederum zugezogen sind. Da ich sehr hungrig bin, registriere ich auch gleich die zwei Gedecke auf dem Tisch. Ich schaue Folletto
     an, ziehe die Brauen fragend in die Höhe und deute mit dem rechten Zeigefinger in meine Magengegend. Er nickt bejahend: der
     Fürst lädt mich ein, sein Mahl zu teilen. Und mir bereitet die Vorstellung Vergnügen, daß |208| diese Einladung Lodovicos Haß auf mich noch mehr verstärken wird.
    Der Fürst gesellt sich zu mir, entläßt Folletto durch ein Handzeichen und steuert wie üblich geradewegs auf sein Ziel zu,
     indem er sagt:
    »Marcello, ich habe dein Gespräch mit meinem Cousin von Anfang an mitgehört. Du hast etwas gesagt, was mich sehr beschäftigt:
     ›ich habe dem Fürsten einzig und allein deshalb den Zugang zu Signora Peretti erleichtert, damit er sich eindeutig von der
     Unantastbarkeit ihrer Tugend überzeugen konnte.‹ Bitte, Marcello, sag mir, ob das wirklich deine Absicht war.«
    »Nein. Was ich da gesagt habe, ist eine Wahrheit, die für Lodovico gilt.«
    »Und welche Wahrheit gilt für Marcello?«
    Ich sehe ihm in die Augen, denke einen Moment nach und antworte:
    »Soweit ich mich in mir auskenne, ist es folgende: ich diene Vittorias Wünschen, aber ich werde nichts gegen ihren Willen
     tun.«
    »Und was würdest du tun, wenn ihre Wünsche über ihren Willen obsiegten?«
    »Wenn dieser Sieg unzweifelhaft ist, werde ich ihren Wünschen zu Diensten sein.«
    Der Fürst verschränkt die Hände auf dem Rücken und geht im Zimmer auf und ab, in seiner Bewegungsfreiheit ziemlich eingeschränkt,
     weil die Schanze kurz und schmal ist. Er sieht mich schweigend an. Aus unserem Wortwechsel schließe ich, daß Orsini nicht
     auf Vittoria verzichtet hat. Ich bin darüber nicht sonderlich erstaunt.
    »Zu Tisch!« ruft er in einem Ausbruch von Fröhlichkeit und weist mir mit einer Kopfbewegung meinen Platz zu, dann klatscht
     er in die Hände, um Folletto zu rufen. »Und noch eine Frage, Marcello«, fährt er fort. »Als du vorhin deine Pistole auf Lodovico
     richtetest, hättest du geschossen, wenn ich nicht dazwischengekommen wäre?«
    »Nein, obwohl ich von Anfang an große Lust dazu hatte. Ich muß gestehen, daß ich einen Moment lang geglaubt habe, ich würde
     es tun.«
    »In welchem Moment?«
    »Als er sagte, ich hätte meine Schwester gefügig gemacht. |209| Wenn da noch ein Wort mehr gegen Vittoria gekommen wäre, hätte ich geschossen. Aber er hat ein feines Gespür und muß es gefühlt
     haben. Deshalb hat er nicht gewagt, sie zu schmähen. Ich habe übrigens festgestellt, daß er bei all seinen Provokationen eine
     bestimmte Vorsicht walten läßt. Im Grunde genommen ist er ein Feigling.«
    »Gerade deswegen ist er gefährlich«, warnt der Fürst. »In Rom mußt du dich sehr in acht nehmen, Marcello.«
     
     
    Caterina Acquaviva:
     
    Wie bin ich froh gewesen über unsere Rückkehr nach Rom! Unvorstellbar, wie ich es monatelang in Santa Maria hätte aushalten
     sollen, zumal bei dem schlechten Wetter die ganze Zeit. Man hätte glauben können, der blaue Himmel und die Sonne warteten
     im Hof des Palazzo Rusticucci auf uns. Außerdem hatte ich in Santa Maria in zwei Wochen nur eine einzige Nacht mit Marcello
     verbracht, und ich war ziemlich sicher, ihn in Rom öfter zu sehen.
    Wenn die Signora es als Glück empfand, nach Rom zurückzukehren und dort ihre Freiheit wiederzuerlangen, so ließ sie sich das
     nicht anmerken. Sie war weder fröhlich noch traurig, sprach wenig und schien die meiste Zeit abwesend. Sie nahm die Mahlzeiten
     wieder am Familientisch ein und verschloß nicht mehr ihre Tür vor Signor Peretti. Aber sie öffnete sie auch nicht ganz, wenn
     er Einlaß begehrte. Sie hütete sich wohl, mich wegzuschicken; zwar sprach sie sehr nett mit ihm, ermutigte ihn aber nicht
     zum Bleiben. Es bekümmerte mich, den armen Signor Peretti zu sehen, wie er traurig in der Zimmerecke saß, von diesem und jenem
     redete, jedoch nicht seine Rechte als Ehemann geltend zu machen wagte. Ich fand ihn ein bißchen zu rücksichtsvoll. In Grottammare
     hätte sich kein Mann seiner Frau gegenüber so benommen, er hätte es ihr schon gezeigt!
    Manchmal schien es auch der Signora peinlich zu sein, ihren Mann so schlecht zu behandeln, aber sie konnte sich trotzdem nicht
     entschließen, ihn mit offenen Armen zu empfangen. In den Armen

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