Idol
zum wichtigsten Argument derer, die keinen Protegé Farneses auf dem Heiligen Stuhl zu sehen wünschten. »Was«,
hieß es, »kaum vierzig Jahre alt? Sollen wir einen
putto-papa
1 wählen?« Der Schrecken hatte die Kandidatur des Großinquisitors vereitelt; die Lächerlichkeit machte die von Santa Severina zunichte.
Indes, wir waren nun schon drei lange Tage in Klausur, und der Wunsch, die Sache zu Ende zu bringen, wurde bei allen immer
stärker. Dieses ganze Hin und Her sowie auch unsere spartanische Lebensweise begannen uns zu ermüden. Farnese, der |366| seine Niederlage nur schlecht verwunden hatte, spürte den Überdruß und beschloß, einen großen Coup zu landen. Er schlug als
Kandidaten den spanischen Kardinal Torres vor, dessen Ankunft in Rom für den nächsten Tag in Aussicht stand.
Ich war in meiner Zelle damit beschäftigt, diesen verblüffenden Vorschlag zu verdauen, als Medici an meine Tür klopfte. Ich
ließ ihn herein. Er war bleich, und auf seiner Stirn standen große Schweißtropfen.
»Cherubi«, sagte er rundheraus, ohne seine üblichen diplomatischen Verklausulierungen, »was denkt Ihr über die Kandidatur
von Torres?«
»Ich bin bestürzt darüber. Ein spanischer Papst auf dem Thron von Sankt Peter! Wenn wir schon so weit sind, warum dann nicht
gleich Olivares selbst! Praktisch ist es dasselbe: wenn Torres gewählt wird, herrschen Olivares und Farnese an seiner Stelle.
Sie werden unsere Herren sein! Und das Oberhaupt der Christenheit wird nur mehr der Kaplan des Königs von Spanien sein! Was
für eine Schande!«
Ich schwieg, denn ich war selbst am meisten überrascht von meiner brüsken, explosiven Offenheit. Doch es war keine Zeit mehr
für Scheinmanöver. Medici, der kluge Staatsmann, sah das genauso.
»Wenn Ihr dieser Meinung seid, Cherubi«, stieß er hervor, »so kommt in zehn Minuten in meine Zelle. Ihr trefft dort auf Gleichgesinnte.«
Bevor er ging, reichte er mir die Hand – eine für ihn sehr ungewöhnliche Geste. Seine Hand war feucht. Den Unglücklichen hatte
das Entsetzen gepackt, und es bestand auch aller Grund dazu. Wie könnte ein spanischer Papst das Großherzogtum Toskana gegen
die Gefräßigkeit Philipps II. verteidigen?
Zehn Minuten später traf ich in Medicis Zelle auf Alessandrino, Santa Severina, Rusticucci und d’Este, alle sehr erregt.
»Farnese ist dabei, eine raffinierte Intrige einzufädeln«, sagte Medici. »Er will sich unseren Brauch zunutze machen, daß
wir einem neu ins Konklave eingeführten Kardinal alle zur Begrüßung entgegengehen. Farnese hofft, bei Torres’ Ankunft genug
Kardinäle für seine Sache versammelt zu haben, um eine Wahl per Akklamation zu erreichen. In der allgemeinen Konfusion und
Aufregung dieses Augenblicks – so hofft er – wären dann die Pro- und Kontra-Stimmen unmöglich zu zählen.«
|367| »Das ist nicht ungeschickt«, sagte d’Este, »aber auch wir können uns dieser Kriegslist bedienen. Laßt uns unverzüglich einen
Kandidaten benennen, um Unterstützung für ihn werben und ihn vor Torres’ Ankunft durch Akklamation wählen, wenn wir alle in
der Kapelle versammelt sind.«
»Gut, die Zeit drängt«, erwiderte Medici. »Entscheiden wir uns für einen Kandidaten, und zwar schnell. Ich selbst scheide
als Bewerber aus.«
»Und ich komme rein rechnerisch auch nicht in Frage«, meinte d’Este. »Stünde ich zur Wahl, bekäme ich nicht einmal alle Stimmen
der drei französischen Kardinäle, denn Pellevé ist ein erbitterter Parteigänger der Liga.«
»Ich für mein Teil hege keine so hochfliegenden Pläne«, sagte Rusticucci.
Damit wollte er ausdrücken, daß er gern vom neuen Papst ein hohes Amt im Staat erhalten würde, was ihm Gregor XIII. stets
versagt hatte.
»Meine Pläne«, sagte ich, »fliegen nicht; sie schwimmen – mit Kurs auf Venedig!«
»Und die meinen tun beides nicht, weder fliegen noch schwimmen«, äußerte sich Alessandrino zurückhaltend.
»Und ich«, sagte Santa Severina, der wirklich jung war und sich die unbekümmerte Fröhlichkeit der Jugend erhalten hatte, »ich
muß nicht erst ausscheiden, ich bin bereits ausgeschieden.«
Bei dieser witzigen Bemerkung des
putto-papa
mußten trotz des Ernstes der Stunde alle lächeln.
»Beeilen wir uns, die Zeit drängt«, mahnte Medici. »Torres kann jeden Moment erscheinen. Ich schlage Montalto vor.«
Einen Moment herrschte Schweigen; jeder für sich prüfte und wog das Gewicht dieses Namens.
»Er wird sich
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