Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
erinnern«, erwiderte Medici.
    Eine Unverschämtheit, die ihm etliche nicht gerade liebenswürdige Blicke eintrug, was ihn jedoch nicht weiter zu berühren
     schien. Denn er straffte seinen kleinen Körper, schritt zur Pforte und entriegelte sie eigenhändig.
    Der Kardinal-Erzherzog trat ein, und kaum war hinter ihm |364| die Pforte wieder verriegelt, sah er sich von einem Schwarm roter Roben umringt: wir begrüßten ihn und überschütteten ihn
     mit endlosen Höflichkeitsbezeigungen. Gleichzeitig musterten wir ihn voller Neugier, denn er war bisher nur ein einziges Mal
     in Rom gewesen und hatte sich hier nur so lange aufgehalten, bis er aus der Hand Gregors XIII. den Kardinalspurpur empfing.
     Er war ein großer, dicker Mann mit wäßrigen blauen Augen, die seinem Gesicht einen höflich-indifferenten Ausdruck verliehen.
     Unsere italienischen Komplimente nahm er huldreich entgegen, doch verstand er sie offenbar nicht. Daraufhin wurde er auf lateinisch
     angesprochen, aber Latein beherrschte er auch nicht besser. Richtig, er war ja kein Priester! Dann versuchten wir es mit Französisch
     und Spanisch: ebenfalls erfolglos. Übrigens kannte er keinen von uns und wußte nichts über unsere Cliquen und Grüppchen, unsere
     großen und kleinen Interessen, um die es hier ging, und natürlich auch nichts über unsere Intrigen. Die Deutschsprechenden
     unter uns versuchten, ihn in ihr Lager zu ziehen. Er hörte ihnen höflich zu, ohne sich im mindesten für ihre Darlegungen zu
     interessieren. Offensichtlich langweilte er sich sehr, sogar während der Messe. Im Verlaufe unserer Debatten machte er nie
     den Mund auf, es sei denn, um hinter vorgehaltenem Handschuh zu gähnen.
    Wir erlebten die eigenartige Situation, daß das Erscheinen des Kardinal-Erzherzogs im Konklave die Abstimmung kaum beeinflußte,
     dagegen außerhalb des Konklaves einen sehr folgenreichen Zwischenfall provozierte. Der skandalöse Auftritt des Grafen Olivares
     an der verriegelten Pforte zum Konklave war nicht unbemerkt geblieben, und seine Wünsche für Realität nehmend, schloß das
     Volk von Rom daraus sofort, die spanische Partei würde obsiegen und Kardinal Farnese würde unverzüglich gewählt, wenn er es
     nicht schon war. Eine jubelnde Menge zog zum Palazzo Farnese, um ihn zu plündern. Das Volk verehrte den Kardinal, handelte
     also nicht aus Haß, sondern folgte einem alten Brauch – ich wage nicht, von einer Tradition zu sprechen –, nach dem ein Kardinal,
     der mit der Tiara ohnehin unermeßlichen Reichtum erwirbt, seinen persönlichen Besitz gut und gern dem Pöbel zum Geschenk machen
     kann.
    Wir waren über die Maßen entrüstet, daß es die Römer wagten, unserer Entscheidung vorzugreifen, aber mehr noch vielleicht
     empörten wir uns, daß Farnese so beliebt bei ihnen war. |365| Das hieß nämlich: wenn wir ihn zum Papst machten, würde er sich einerseits auf die Macht Spaniens, andererseits auf die Gunst
     des Volkes stützen und könnte sich so über jeglichen Widerspruch von unserer Seite hinwegsetzen. Es wurden eilig Wachen entsandt,
     um die Plünderung seines herrlichen Palastes zu verhindern; wir aber schritten umgehend zur Wahl. Farnese erhielt nur ein
     Dutzend Stimmen. Er hatte sein Haus gerettet, die Tiara aber verloren.
    Kardinal di San Sisto, der großen Einfluß auf die römischen Kardinäle hatte, weil sie den Purpur fast alle seiner Fürsprache
     bei seinem päpstlichen Onkel verdankten, schlug nun den römischen Kardinal Castagna als Kandidaten vor. Die meisten Kardinäle
     wünschten sich als Nachfolger Gregors XIII. einen tugendhaften Mann, und das war Castagna. Aber er glänzte nicht gerade durch
     einen starken Charakter, und wir befürchteten, San Sisto könnte als Drahtzieher hinter ihm fungieren. Castagna wurde abgelehnt.
    Als nächsten brachten einige den Großinquisitor, Kardinal Savello, ins Gespräch. Er war Römer, und sowie sein Name fiel, lehnten
     ihn alle römischen Kardinäle ab. Sie wußten nur zu gut, daß Savello ein unerbittlicher Mann war, der überall den Teufel witterte,
     sogar seinen eigenen Schatten verdächtigte und nur von Scheiterhaufen und Autodafés träumte. Sogar die ranggleichen Kardinäle
     fürchteten seine Inquisition. So wurde er nicht einmal regulär nominiert: die allgemeine Feindseligkeit erstickte seine Kandidatur
     bereits im Keime.
    Farnese schlug dann Santa Severina vor, der ihm, wie er glaubte, auf Grund seiner Jugend ergeben sein würde. Doch ebendiese
     Jugend wurde

Weitere Kostenlose Bücher