Idol
verheimlichen.
»Aber Vittoria«, fuhr ich fort und tat, als wüßte ich nicht, weshalb sich ihre Miene verändert hatte, »sorgt Euch nicht; ich
werde sie zur Eile antreiben und vor allem Pater Palestrino ermahnen, damit uns das Konklave nicht zuvorkommt.«
|370| Was ich noch selbigen Tages tat.
»Durchlaucht«, sagte Palestrino mit dieser kräftigen, sonoren Stimme, die mich bei seinem gebrechlichen Körper immer wieder
in Erstaunen versetzte, »die frommen Patres halten Euch nicht hin. Sie sind ratlos und haben Angst.«
»Angst?«
»So wie auch ich sind sie Vertreter der Kirche, Durchlaucht, und ihren Gesetzen unterworfen. Gewiß, sie möchten sich, da sie
von Euch so gut behandelt werden, in dem von Euch gewünschten Sinne äußern. Doch die Sache ist nicht ohne Risiko für sie.
Weiß man denn, ob Euch der künftige Papst wohlgesinnt sein wird?«
»Ich verstehe, Pater, doch was ist zu tun, damit sie endlich zu einer Entscheidung kommen?«
»Man muß gröbere Geschütze auffahren.«
»Gröbere Geschütze?« fragte ich überrascht. »Wie denn?«
»Das sage ich Euch morgen früh, Durchlaucht, falls Ihr wirklich entschlossen seid, bis zum Äußersten zu gehen.«
Er bat, sich entfernen zu dürfen; und da ich ihn kannte und wußte, er würde auf meine Fragen nicht antworten, sondern stumm
wie ein Fisch bleiben, ließ ich ihn ziehen.
Ich erzählte Vittoria von diesem Gespräch, und wir verbrachten gute zwei Stunden zwar nicht in Trübsal (waren wir nicht trotz
allem zusammen?), aber in einer wenig behaglichen Mischung aus Ungeduld und Angst. Unsere Ehe schien von allem und jedem abzuhängen,
von den Theologen, vom Konklave, von dem künftigen Papst, was weiß ich? – nur nicht von uns selbst!
Am späten Abend beschlossen wir, unsere düsteren Gedanken zu vergessen und Würfel zu spielen. Wir würfelten um galanten Einsatz,
den wir einander ins Ohr flüsterten, denn Caterina war dabei, mit sanfter Hand das lange, schöne Haar ihrer Herrin zu bürsten.
Plötzlich wurde diskret an die Tür geklopft, der Majordomus erschien und erklärte mit vielen Entschuldigungen ob der späten
Störung, ein Mönch wolle mich unbedingt sprechen. An der Beschreibung erkannte ich
il mancino
.
»Er soll hereinkommen«, sagte ich. »Er ist hier zu Hause.«
Man hätte meinen können,
il mancino
habe hinter der Tür gelauert, so schnell tauchte er vor uns auf, im Wams, die Mönchskutte |371| hatte er wahrscheinlich im Vorzimmer abgelegt. Caterina lief sofort mit einem Freudenschrei auf ihn zu, umhalste ihn und bedeckte
ihn mit Küssen, was er mit Nachsicht und Geduld über sich ergehen ließ, wie einer, der solcherlei gewohnt ist.
»Ist ja gut, Schwesterchen«, sagte er, »hast du vergessen, wo du bist?«
Er machte sich von ihr los und verbeugte sich tief vor Vittoria, der er sowohl Respekt als auch Bewunderung bezeigte; seine
Verbeugung vor mir war einzig von Respekt bestimmt. Wie ich schon früher beobachten konnte, hatte der Mann ein Gefühl für
Nuancen.
Dann richtete er sich stolz zu voller Größe auf, wobei er stark an einen kleinen Kampfhahn erinnerte, drahtig und muskulös,
wie er war. Übrigens hatte er auch Schnabel und Krallen: einen Dolch am Gürtel, einen zweiten à l’italienne auf dem Rücken
und ein griffbereites Messer im Stiefelschaft. Schließlich waren die Straßen Roms so spät am Abend wenig sicher.
»Durchlaucht«, begann er würdevoll, »ich wäre nicht so kühn, Euch zu dieser späten Stunde zu stören, hätte ich nicht eine
hochwichtige Nachricht für Euch.«
»Ich höre.«
»Seine Eminenz Kardinal Torres ist gestern abend in Genua eingetroffen und wird morgen nach Rom weiterreisen. Er hat es sehr
eilig. Und Botschafter Olivares brennt darauf, ihn sofort nach seiner Ankunft ins Konklave zu bringen.«
Il mancino
legte ein Schweigen ein, bis ich ihn fragte:
»Warum?«
»Er hat mit Kardinal Farnese ein Komplott angezettelt: bei Torres’ Eintritt ins Konklave soll Farnese die spanientreuen Prälaten
zusammentrommeln und ihn durch Akklamation zum Papst wählen lassen.«
»Ein spanischer Papst!« rief Vittoria. »Oh, welche Schande!«
»Und welche Gefahr für den Fürsten und für Euch!« sagte
il mancino
mit einer weiteren galanten Verneigung.
»Eine Gefahr, Acquaviva?« fragte Vittoria.
»Mein Engel, ich war General in Venedigs Diensten, das reicht hin für Philipp II., mir zu mißtrauen.«
»Euch und Euren militärischen Talenten, Durchlaucht«,
Weitere Kostenlose Bücher