Idol
heimgerufen wurde, unser irdisches Jammertal verlassen hat und folglich nicht mehr imstande ist, Zuwiderhandlungen zu bestrafen.
Zweitens, weil niemand präjudizieren darf, was der künftige Papst in dieser Angelegenheit befinden wird; Wunsch und Willen
seines Vorgängers können für ihn nicht bindend sein, und er wird in voller Souveränität seine eigenen Entscheidungen treffen.
Nachdem mir Vittoria dieses Gutachten übersetzt hatte, begab ich mich zu den Theologen und sagte:
»Ehrwürdige Patres, Euer Gutachten ist ein Meisterwerk an Weisheit, Umsicht und Mäßigung. Es erfüllt mich mit großer Genugtuung.
Meine unendliche Verbundenheit ist Euch auf immer gewiß. Dank Euch werden die Signora und ich wieder als christliche Eheleute
in Würde und Treue zusammenleben können. Wollet noch einen Moment verweilen, bis mein Majordomus jedem von Euch ein materielles
Unterpfand meiner Dankbarkeit überreicht hat. Ehrwürden, ich bitte Euch um Euer aller Gebet, damit das von Euch gerettete
Band niemals wieder aufgelöst werden möge.«
Daraufhin verneigten sich die Theologen und ließen ein freundliches Gemurmel hören. Ich begab mich aus dem Saal, und mein
Majordomus rief als ersten Pater Luigi Palestrino auf. Doch ehe er aus Montegiordano schied, wollte ich ihn |377| noch einmal sehen, ging ihm entgegen und schloß ihn bewegt in die Arme, erstaunt darüber, nur ein Skelett an mich zu drücken.
»Durchlaucht, Ihr erdrückt mich«, sagte der Pater, und seine Wangen röteten sich ein wenig. (Doch kann man von Wangen sprechen,
wo nur pergamentene Haut die völlig fleischlosen Backenknochen überspannte?)
»Verzeiht, Pater!« bat ich. »Aber Euch habe ich alles zu verdanken.«
»In Wahrheit haben weder ich noch die anderen Patres viel geleistet. Ich weiß nicht einmal, ob wir berechtigt waren, das wenige,
das wir getan haben, auch wirklich zu tun. Es genügt zwar, Euch die Wiederheirat zu erlauben. Doch Eure neuerliche Verbindung
bleibt gefährdet, solange der künftige Papst sie nicht gebilligt hat.«
Darüber täuschte ich mich nicht: er sagte die Wahrheit. Unser Warten und Bangen waren noch nicht vorbei. Wir hatten erst eine
Etappe zurückgelegt.
Am folgenden Tag, dem 24. April 1585, heiratete ich Vittoria in der Kapelle von Grottapinta zum zweiten Mal.
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|378| KAPITEL XIII
Seine Eminenz Kardinal di Medici:
D’Este, Alessandrino, Santa Severina, Cherubi, Rusticucci und ich hatten uns als erste darauf verständigt, Montalto zum Papst
zu wählen – ein illustrer, aber kleiner Kreis. Wir würden mindestens sechsmal so viele Verbündete brauchen, um Montalto durch
Akklamation zur Wahl zu verhelfen. Wir sechs bemühten uns daher, unsere kleine Schar durch Flüsterpropaganda und mit allen
bei solchen Gelegenheiten üblichen Tricks zu vergrößern.
Allerdings wußte sich unser Kandidat, dem wir helfen wollten, auch selbst sehr gut zu helfen, denn er hatte von Beginn des
Konklaves an große Vorsicht und außerordentliches Geschick bewiesen. Gleich am ersten Tag hatte er begonnen, alle Kardinäle
in ihren Zellen zu besuchen. Er stellte sich ihnen mit lobenswerter Bescheidenheit vor, und ohne seine eigenen Ambitionen
durchblicken zu lassen, versprach er ihnen, gegebenenfalls alles in seiner Macht Stehende für sie zu tun. Da er im Laufe der
Jahre seine Confratres genau beobachtet und viele Informationen über sie eingeholt hatte, wußte er, wie man jeden einzelnen
zu nehmen hatte.
Er versöhnte sich mit Cherubi, dem er früher hart zugesetzt hatte, entschuldigte sich dafür, daß er ihn »zu seinen Gondeln
zurückgeschickt« hatte, und fügte beziehungsvoll hinzu, letzteres könne sich vielleicht als kluge Voraussicht erweisen, wenn
sein Gesprächspartner, wie er hoffe, eines Tages die Geschicke der Kirche von Venedig leiten werde …
Montalto besaß einen Scharfblick, der an Prophetie grenzte. Während die meisten Kardinäle fälschlich annahmen, ich hegte die
Hoffnung, unter dem künftigen Papst erneut Staatssekretär zu werden, hatte Montalto begriffen, daß ich dieses Amtes müde war.
Als ich ihn in seiner Zelle besuchte, sprach er davon überhaupt nicht, sondern nur von seiner Sympathie für das Großherzogtum
Toskana und von seinem lebhaften Wunsch, es seine Unabhängigkeit »allen Widersachern zum Trotz« (zwei fellos |379| eine Anspielung auf Philipp II.) bewahren zu sehen. Ihm war natürlich bekannt, daß mein älterer Bruder, der Großherzog,
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