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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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stimmen, den wir für einen sehr
     gottesfürchtigen und fähigen Kardinal halten. Was denkt Ihr über ihn?«
    »Über wen? Wer ist das? Wie habt Ihr gesagt?« fragte der Kardinal-Erzherzog.
    »Montalto.«
    »Und wer ist das?« sagte der Erzherzog und gähnte hinter vorgehaltenem Handschuh. Dabei musterte mich dieser
homo germanicus
mit seinen blaßblauen Augen von oben herab, was ihm nicht schwerfiel, da mein Kopf gerade bis zur Höhe seines Magens reichte.
    »Euer Eminenz kennen Montalto bestimmt! Er ist etwa fünfundsechzig Jahre alt und geht auf …«
    Da ich das deutsche Wort für »Krücken« nicht wußte, mimte ich den Gang Montaltos.
    »Ach, der!« rief der Kardinal-Erzherzog. »Den kenne ich natürlich. Ein charmanter alter Herr! Er hat mir große Dienste erwiesen.
     Wie könnte ich vergessen, daß mir dank seiner Vermittlung ein Sessel in die Zelle gestellt wurde? Wie, sagt Ihr, war sein
     Name?«
    »Montalto.«
    »Ach richtig, Montalto! Den Namen werde ich mir merken. Montalto. Warum nicht Montalto? Ein so liebenswürdiger alter Herr!
     Von San Sisto protegiert! Und spricht zudem noch Deutsch! Ein Papst, der Deutsch spricht – welche Ehre für Österreich!«
    Und er begann – ohne ersichtlichen Grund – zu lachen oder vielmehr zu glucksen, und sein dicker Bauch wackelte. Ich lachte
     höflich mit. Ganz offensichtlich nahm der österreichische Erzherzog unsere unbedeutenden italienischen Angelegenheiten nicht
     allzu ernst.
    »Ich wüßte gern, Euer Eminenz«, fuhr ich fort, »was Spanien zu einer Kandidatur Montaltos sagen würde.«
    Der Kardinal-Erzherzog wurde wieder ernst, zog ein Papier aus der Innentasche seiner Robe und faltete es auseinander.
    »Hier habe ich eine Liste der Kardinäle, die mein Cousin (so bezeichnete er Philipp II.) auf keinen Fall als Papst sehen will.«
    Es verschlug mir die Sprache, wie wenig diplomatisch er sich ausdrückte, und ich staunte noch mehr, als er seine Brille |384| zurechtrückte und die schwarze Liste laut vorzulesen begann. Ich fand es pikant, wenn auch wenig überraschend, daß ich darauf
     stand, ebenso wie d’Este, die französischen Kardinäle – mit Ausnahme von Pellevé – und mehrere andere, die ich aber, diskreter
     als der Kardinal-Erzherzog, nicht nennen möchte.
    »Nun gut«, sagte er, »so viel ist klar: Montalto ist keine Persona non grata für meinen Cousin. Es spricht also nichts gegen
     Montalto.«
    »Darf ich dann meinem Freund San Sisto sagen, daß Euer Eminenz eine Kandidatur Montaltos wohlwollend aufnehmen?«
    »Gewiß.«
    »Ich danke Euch, Eminenz.«
    Ich verneigte mich tief, wandte mich um und war schon an der Tür, als er mir nachrief:
    »Darf ich nach Euerm Namen fragen, mein Freund?«
    »Ich bin Kardinal San Gregorio, Euer Eminenz, und Euer allerergebenster Diener«, sagte ich, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Das war eine Eingebung des Augenblicks, und der Herr möge mir die muntere Lüge vergeben. Aber hätte ich dem Erzherzog sagen
     sollen, daß ich jener Medici bin, der schwarz auf weiß auf seinem Index steht? Im übrigen war es belanglos, denn seit seinem
     Eintritt ins Konklave verwechselte er alle Namen, und falls er mich zitieren sollte, würde niemand ihm zu sagen wagen, daß
     es gar keinen Kardinal San Gregorio gibt.
    Am Abend des 23. April kamen die sechs Parteigänger Montaltos, die sich als erste für seine Kandidatur ausgesprochen hatten,
     in meiner Zelle zusammen und berieten den Gang der Dinge. Der bisherige Verlauf erschien uns sehr erfolgversprechend. Alessandrino
     hatte mit seiner letzten Attacke die Zustimmung San Sistos erreicht, der inzwischen die von seinem Onkel ernannten Kardinäle
     konsultiert hatte – mit sehr gutem Erfolg. Ich berichtete, daß ich mit dem Kardinal-Erzherzog gesprochen und die Kandidatur
     Montaltos nach der spanischen Seite hin abgesichert hatte. D’Este hatte inzwischen zwei der französischen Kardinäle für unsere
     Sache gewonnen; an den dritten, einen begriffsstutzigen Anhänger der Liga, war er allerdings nicht herangekommen. Santa Severina
     –
il putto-papa
, wie wir ihn nun nannten – ging von Gruppe zu Gruppe und |385| verbreitete, daß Montaltos Chancen zusehends stiegen. Der verläßliche und redliche Rusticucci hatte noch etwas Besseres getan:
     er hatte Farnese aufgesucht und ihn freiheraus gefragt, ob er gegebenenfalls für Montalto stimmen würde.
    Farnese hatte sich verbittert gezeigt und sich gleichzeitig sehr kollegial verhalten: »Für mich haben elf Kardinäle

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