Idol
keine
Kinder hatte und ich ihm eines Tages auf dem Thron folgen würde – fortan mein einziges Streben.
Mit gleichem Geschick lavierte er zwischen der Skylla der spanischen und der Charybdis der französischen Partei. Farnese versprach
er seine Stimme und gab sie ihm bei der Wahl auch wirklich, wo doch seine Kandidatur keinerlei Aussicht mehr auf Erfolg hatte.
Zu d’Este hingegen sagte er über das Herzogtum Ferrara das gleiche, was er mir über das Großherzogtum Toskana gesagt hatte.
Er zeigte sich freundlich, wenn auch von würdevoller Zurückhaltung zum Kardinal-Erzherzog von Österreich, dem er dank seiner
Deutschkenntnisse einige Male gefällig sein konnte.
Da ihm bekannt war, wie sehr Kardinal Altemps seinen Bruder, den Marchese, liebte, gab er ihm zu verstehen, daß dieser alle
erforderlichen Eigenschaften für einen Statthalter des Borgo 1 zu besitzen scheine. Er lobte San Sisto gegenüber dessen Bruder Giacomo und äußerte den Wunsch, diesen nach der Papstwahl als General der vatikanischen Armee bestätigt zu sehen. Alessandrino
machte er keine Versprechungen, zweifellos, weil ihn dessen Herrschsucht beunruhigte; er schmeichelte lediglich seinem übersteigerten
Stolz mit ebenso übersteigerten Komplimenten. Gegenüber Rusticucci aber, den er für bescheidener und fähiger hielt, ging er
größere Verpflichtungen ein, wenn auch nur in Andeutungen, denn ihm war seit langem klar, daß Rusticucci auf das Amt des Staatssekretärs
hoffte.
Montaltos Taktik war so geschickt, und er trat dabei so bescheiden und einfach auf, daß sich die weniger Schlauen ködern ließen,
ohne dessen gewahr zu werden. Die Klügeren unter uns, die ihn als einen Mann von Wort kannten, begnügten sich mit seinen Versprechungen
und betrachteten seine erstaunliche Wendigkeit als eine zusätzliche Stärke, ohne sich davon übertölpeln zu lassen. Vor dem
Konklave hatten wir Montalto für einen sehr tugendhaften und fähigen Prälaten gehalten. Aber als wir nun sahen, welch diplomatisches
Geschick er während unserer Klausur an den Tag legte, stieg er noch mehr in unserer Achtung. Einen Mann, der so wie er für
den |380| Erfolg geschaffen ist, wird man gern unterstützen und lieber zum Freund als zum Feind haben – sofern sein Erfolg einem nicht
schadet.
Mir war bewußt, daß unsere kleine Gruppe niemals genügend Stimmen für Montalto zusammenbekommen würde, wenn es uns nicht gelänge,
Kardinal San Sisto für unsere Sache zu gewinnen. So mittelmäßig sein Verstand und sein Gemüt auch sein mochten, genoß er doch
große Autorität bei vielen Kardinälen, die ihre Ernennung seinem Einfluß auf Gregor XIII., seinen Onkel, verdankten.
San Sisto war lang, bleich und weich wie eine Wachskerze. Sein Wesen entsprach ganz und gar seinem Äußeren. Dem Mann fehlte
jede Tatkraft, Entschlossenheit und Beständigkeit. Ich möchte meinen Vergleich nicht so weit treiben, zu behaupten, er schmelze
weg wie eine Kerze, aber es war wirklich so. Eines Tages unterhielt ich mich unter vier Augen mit ihm, und als ich im Eifer
des Gesprächs seinen Arm ergriff, spürte ich weder Knochen noch Muskeln unter meiner Hand. Und ich fragte mich verblüfft,
woraus dieses substanzlose Wesen wohl bestehe.
Indem wir überlegten, wie wir San Sisto gewinnen könnten, verfielen wir schließlich auf eine kleine List, die ich kaum fromm
zu nennen wage, obwohl sie doch das Wohl des Staates und der Christenheit zum Ziel hatte. Nachdem wir Cherubi eingeweiht hatten,
schickten wir ihn zu San Sisto.
Cherubi ist redselig, umgänglich, von überschwenglicher Freundlichkeit; in seiner tolpatschigen Art gilt er als freimütig.
Seine Worte waren ungeschminkt, jedoch verfänglich:
»Aus Freundschaft möchte ich Euch warnen, Monsignore, obwohl die Angelegenheit noch sehr geheim ist: Montaltos Kandidatur
findet so viele Befürworter, daß man ihm allgemein die größten Chancen zubilligt.«
»Wie das?« fragte San Sisto. »Montalto ist doch so zurückhaltend! Er rührt in eigener Sache keinen Finger.«
»Das tut er auch nicht, Monsignore, dennoch kommt er voran, und seine Wahl ist schon so gut wie sicher. Wenn er an Euch noch
nicht herangetreten ist, Eminenz, so deswegen, weil er vielleicht befürchtet, daß Ihr ihm feindlich gesinnt seid, wie Euer
verehrter Onkel, der hochheilige und tief betrauerte Papst Gregor XIII., es war.«
»Aber nein!« rief San Sisto erschrocken. »Ich bin ihm überhaupt |381| nicht feindlich
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