Idol
gesinnt! Ich halte ihn ob seiner Tugend und seiner Talente für einen sehr geeigneten Kandidaten.«
»Wie kommt es dann, daß er noch nicht Fühlung mit Euch aufgenommen hat?«
»Wenn ich es recht bedenke, hat er das getan«, sagte San Sisto. »Er hat sich sehr liebenswürdig über meinen Bruder geäußert.
Ich glaube mich sogar zu erinnern, daß er die Hoffnung aussprach, mein Bruder möge auch unter dem künftigen Pontifikat General
der vatikanischen Armee bleiben.«
»Aber Monsignore, das ist doch ein Anerbieten! Und wenn ich Euer Eminenz einen Rat geben darf, dann schlagt es nicht aus,
sonst schadet Ihr Euch selbst.«
»Ich will darüber nachdenken«, sagte San Sisto, ganz verwirrt. »Und ich danke Euch sehr für Eure Freundlichkeit, Cherubi,
die Eurer Offenheit in nichts nachsteht.«
Als uns Cherubi von dem glücklichen Ausgang dieser Unterredung berichtete, beschlossen wir, das Eisen zu schmieden, solange
es heiß war, denn San Sisto war aus allzu weichem, allzu formbarem Stoff. Wir schickten sofort die Kardinäle Riario und Gustavillanio
zu ihm, die wir für unsere Sache gewonnen hatten und die ihm gegenüber den gleichen Ton wie Cherubi anschlugen. Und schließlich
entsandten wir Alessandrino, den letzten Schlag zu führen.
Ich wage in aller Bescheidenheit zu behaupten, daß ich mit diesem Abgesandten eine sehr gute Wahl getroffen hatte, die sowohl
dem Charakter San Sistos als auch dem von Alessandrino Rechnung trug.
Alessandrino machte nämlich größten Eindruck auf die anderen Kardinäle. Daraus erklärt sich übrigens, weswegen er trotz seiner
großen Talente niemals auch nur die geringste Chance hätte, selbst Papst zu werden. Er war groß, sehr kräftig, noch jung,
geistreich – und sehr herrisch, ja sogar hochmütig. Dieselben Gründe, die ihn hinderten, jemals
papabile
zu sein, verhalfen ihm zu Ansehen und Einfluß in allen Konklaves, an denen er teilnahm.
San Sisto gegenüber war er – ganz anders als Cherubi – kurz angebunden, und er sparte sich jedes »Monsignore« und »Emi nenz «, denn er sah nicht ein, warum er einen Mann, der den gleichen Rang hatte wie er selbst und dem er sich überlegen fühlte,
mit solchen Titeln anreden sollte.
|382| »Auf ein Wort bitte, San Sisto«, sagte er, packte ihn beim Arm und nahm ihn in seiner gebieterischen Art beiseite. »Schätzt
Ihr Montalto?«
»Aber ja, sehr!« antwortete San Sisto hastig.
»Dann hier mein Rat: Wacht endlich auf, mein Lieber, und tut etwas für ihn. Auf jeden Fall eilt Ihr damit nur noch dem Sieger
zu Hilfe. Denn Montaltos Kandidatur ist so gut eingefädelt, daß sein Erfolg sicher ist. Oder wollt Ihr den Groll des künftigen
Papstes auf Euch lenken? Wollt Ihr, daß es Euch unter seinem Pontifikat genauso ergeht, wie es ihm unter Eurem Onkel ergangen
ist?«
»Wie denn, wie?« stotterte San Sisto. »Ist sein Erfolg schon so sicher?«
»Davon könnt Ihr ausgehen, mein Lieber«, sagte Alessandrino und heftete seine schwarzen Augen fest auf ihn. »Es ist an Euch,
einen Entschluß zu fassen und zu handeln. Das sage ich Euch rundheraus, als Euer Freund.«
»Handeln? Einen Entschluß fassen?« fragte San Sisto. »Wie soll ich mich für ihn entscheiden, ohne vorher die von meinem Onkel
ernannten Kardinäle zu konsultieren?«
»Wollt Ihr damit sagen, daß Ihr als deren Führer Euch nach ihnen richten wollt?« erwiderte Alessandrino. »Solltet Ihr nicht
eher das Gegenteil tun?«
»Auf jeden Fall muß ich sie konsultieren«, sagte San Sisto, der völlig verwirrt schien. »Wo ist da der Unterschied?«
»In der Art, wie Ihr die Frage formuliert. Wenn Ihr zum Beispiel sagt: ›Was haltet Ihr von der Kandidatur Montaltos?‹, überlaßt
Ihr jedem die freie Entscheidung. Wenn Ihr aber sagt: ›Ich beabsichtige, für Montalto zu stimmen. Wie denkt Ihr darüber?‹,
so beeinflußt Ihr damit die Entscheidung der Kardinäle.«
»Das ist eine glückliche Formulierung«, sagte San Sisto, »ich werde sie mir merken.«
Als mir Alessandrino diese Worte hinterbrachte, entsann ich mich, daß der Kardinal-Erzherzog nicht nur der Cousin Philipps
II. war, sondern auch zu den Kardinälen gehörte, die Gregor XIII. auf Betreiben seines Neffen ernannt hatte. Ich mobilisierte
meine bescheidenen Deutschkenntnisse, suchte ihn in seiner Zelle auf und begann, ihn auszuforschen, sehr vorsichtig und bedachtsam.
|383| »Monsignore, einige von uns, darunter Kardinal San Sisto und ich selbst, wollen für Montalto
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