Idol
in Padua waren, hatten sie ein recht strenges Leben führen müssen. Es wurde jedoch vereinbart, sie sollten
beizeiten zurück sein, um die Signora zur Frühmesse zu eskortieren. Sie wollte nämlich nicht an der Mitternachtsmesse in der
Kirche der
Eremitani
teilnehmen, wegen des Andrangs dort und weil die Leute vermutlich sehr laut sein würden: seit Einbruch der Dämmerung wurden
die Flaschen entkorkt.
Trotz aller Bitten wollte Marcello nicht mit zum Ball des Podestà gehen, sondern an diesem Weihnachtsabend lieber der Signora
Gesellschaft leisten. Zunächst war ich sehr froh über seinen Entschluß. Selbst wenn er mich keines Wortes würdigte, hätte
ich wenigstens die Freude, ihn sehen zu können. Man |450| hatte Musiker kommen lassen, die auf ihren Instrumenten spielten und Weihnachtslieder sangen. Da Marcello und die Signora
eigens neue Kleider angelegt hatten, obwohl sie den Abend nur zu Hause verbrachten, tat ich es ihnen nach. Und Marcello machte
mir sogar ein kleines Kompliment über meinen Rock, von dem er offenbar nicht mehr wußte, daß er ihn vor einem Jahr an seiner
Schwester gesehen hatte. Ich war hingerissen von seiner Freundlichkeit. Dumm, wie ich bin, sah ich mich im Geiste schon von
neuem in seinen Armen, vielleicht sogar noch in derselben Nacht, wenn sich die Signora zum Schlafen in ihr Zimmer zurückgezogen
haben würde … Meine Freude war jedoch von kurzer Dauer. Gegen elf Uhr brachte ein Bote ein Billett für Marcello.
»Es ist von Margherita«, sagte er. »Sie konnte nicht zum Ball des Podestà gehen. Sie ist leidend und mußte sich hinlegen,
und sie bittet mich vorbeizukommen. Ich weiß nicht, ob ich es tun soll. In dieser Weihnachtsnacht ist mein Platz an Eurer
Seite, Vittoria.«
»Doch, Marcello, geht nur hin«, sagte die Signora sofort. »Margherita wird sich gewiß recht verlassen fühlen in der fremden
Stadt, noch dazu in diesem Festtrubel. Ich bin ohnehin etwas müde und werde nicht mehr lange aufbleiben.«
Der Elende ließ sich das nicht zweimal sagen! Er gürtete sich mit Degen und Dolch, steckte zwei Pistolen in den Gürtel, nahm
zwei bewaffnete Diener als Begleitung mit und ging eilig davon. Er schien es gar nicht erwarten zu können, endlich an das
Schmerzenslager zu treten, auf dem ihn die ach so kranke Margherita – diese Blutsaugerin! – geschminkt und aufgetakelt erwartete.
Oh, ich hätte sie alle beide erdolcht, wenn mich ein Zauberer auf seinem Mantel sofort zu ihnen getragen hätte! Und das schlimmste
war, ich mußte noch gute Miene machen, derweil ich die Signora auskleidete und ihre endlos langen Haare bürstete.
Danach ging ich in mein Zimmer, unterdrückte meine Tränen, die mich noch wütender machten, zog mich aus und streifte mein
Nachtkleid über. Mir grauste vor meinem einsamen Bett, weshalb ich noch eine Weile auf und ab ging, die Hände zur Faust geballt,
die Zähne zusammengebissen, halblaute Verwünschungen für die Elenden auf den Lippen, die ich in meiner Phantasie eng umschlungen
vor mir sah.
|451| Gerade wollte ich die Vorhänge zuziehen, da flog ein Stein gegen die Scheibe, die aber nicht zerbrach. Sicher ein Betrunkener,
der sich einen Spaß macht, dachte ich und öffnete das Fenster, um ihn zu schelten. Doch als ich mich hinauslehnte, erkannte
ich im hellen Mondlicht Alfredo, der zu mir hochsah und sagte:
»Mach mir auf, Caterina, ich bring dir ein Weihnachtsgeschenk.«
»Dir aufmachen? Wie denn?« fragte ich. »Der Türhüter würde nicht aufmachen, selbst wenn ich ihn anflehte. Das ist strenger
Befehl!«
»Aber im Erdgeschoß ist ein kleines Fenster ohne Gitter. Da könnte ich einsteigen, wenn du mir hilfst!«
»Nie im Leben! Was würde die Signora sagen?«
»Sie erfährt es doch nicht! Ich bleibe nur so lange, bis ich dir diesen hübschen Ring gegeben und dich in meine Arme genommen
habe.«
»Einen Ring? Wie sieht er denn aus?« wollte ich wissen.
»Er ist aus Gold, mit einem Saphir und kleinen Diamanten. All mein Erspartes steckt darin.«
Der Ring und die freundlichen Worte ließen mich nicht kalt, ganz zu schweigen von den breiten Schultern und dem Stiernacken.
Santa Madonna
, welch schöne Rache! Ich würde einen anderen Mann in dem nämlichen Bett empfangen, wo bisher Marcello alleiniger Meister
war!
So, wie ich war – im Nachtkleid –, stieg ich die Treppe hinunter in eine Spülkammer, die nie benutzt wurde, und öffnete das
Fenster, was gar nicht einfach war. Ich mußte
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