Idol
sagt Ihr? Ihr, der Ihr mir geraten habt, ihm das Silbergeschirr zu verweigern?«
»Das war etwas ganz anderes. Das Service gehörte unzweifelhaft Euch. Aber bei den Pferden ist die Sache nicht so eindeutig.
Außerdem wäre es unklug, Lodovico mit leeren Händen |446| abziehen zu lassen. Denn dann verliert er vor Virginio sein Gesicht, und das würde er nicht ertragen.«
»Soll er sein Verrätergesicht doch verlieren!« rief sie. »Ihr habt mir oft genug vorgeworfen, daß ich ihn zu glimpflich behandele.
Ich beherzige nur Eure Lehren!«
Sie setzte sich wütend hin und schrieb ein Billett an den Grafen, in dem sie sich weigerte, die Pferde herauszugeben, und
es auch ablehnte, ihn überhaupt zu empfangen. Marcello sah ihr beim Schreiben über die Schulter. »Unsere erste Begegnung war
nicht von der Art, daß ich sie zu wiederholen wünschte«, las er laut mit.
»Vittoria, Ihr könnt ihm unmöglich einen so beleidigenden Brief schicken! Das wäre wie das rote Tuch für einen Stier: er wird
wahnsinnig vor Wut. Laßt mich an Eurer Statt in gemäßigterem Ton schreiben.«
»Kommt nicht in Frage! Er hat sich an
mich
gewandt! Und
ich
werde ihm antworten.«
Ich gab Marcello in allem recht, doch ich hütete mich, das auszusprechen. Die Signora war schon immer ein kleiner Hitzkopf
gewesen, und das hatte sich verschlimmert, seit sie verwitwet war. Sie fing Feuer wie Zunder, und wenn der einmal brennt,
ist er nur schwer wieder zu löschen. Der Tod ihres Gatten hatte sie in einer schrecklichen Leere zurückgelassen. Der Fürst
fehlte ihr als Ehemann, als Gefährte, als Mensch. Der arme Signor Peretti war herzensgut gewesen, aber mehr auch nicht. Im
Zusammenleben mit dem Fürsten dagegen war die Signora richtig aufgeblüht. Seit den Zeiten der Villa Sorghini habe ich sie
beobachtet: es war nicht mehr dieselbe Frau! Sie hatte nun etwas Strahlendes an sich. Wenn ich meinen Ohren trauen darf, war
der Fürst bis zu seinem letzten Tag im Palazzo Sforza ein Liebhaber gewesen, wie es nur wenige gibt – ich habe manchmal davon
geträumt! Auf die Dauer hätte die Signora wohl auch die Dornen an der Rose gespürt; und mit Dornen meine ich den Umstand,
daß sie keine Kinder haben konnte. (Und wie waren wir beide – die Signora und ich – so erbarmungslos über den armen Peretti
hergezogen!)
Aber warum von einer Zukunft sprechen, die es nicht mehr geben wird? Heute ist es leider so: die Signora verblüht, sie findet
sich nicht mehr so schön, sie hat mit dem Leben abgeschlossen. Ihre Laune ist entsprechend. Und meine ebenfalls, |447| seit Marcello mich nicht mehr will. Daher sind die Signora und ich sehr reizbar. Weil sie die Herrin ist, hageln die Schimpfwörter
– »dumm«, »frech«, »töricht« – nur so auf mich herab, ab und zu setzt es auch Ohrfeigen. Und es dauert immer länger, bis es
zur Versöhnung mit liebevollen Umarmungen und Küßchen kommt. Am schlimmsten aber ist, daß das immer mit Tränen endet, die
bei ihr jetzt so locker sitzen, die Ärmste! Aber an wessen Busen soll sie sich ausweinen, wenn nicht an meinem? An der Brust
einer Tarquinia oder Giulietta kann man sich nicht gehenlassen. Die beiden haben ihr zum Tode des Fürsten geschrieben und
angefragt, ob sie zu ihr nach Padua kommen sollten, aber die Signora hat es rundweg abgelehnt. Und ich gebe ihr recht.
Das mit Marcello ist meine Schuld. Als ich im Palazzo Sforza merkte, daß er täglich während der Siesta zur Sorghini nach Salò
ritt, machte ich ihm heftige Szenen. Niemand wird es mir glauben, doch es ist die reine Wahrheit: ich war so außer mir, daß
ich den Elenden niedergestochen hätte, wenn ich einen Dolch zur Hand gehabt hätte. In Ermangelung dessen rächte ich mich mit
dem Mundwerk, mehr, als ihm lieb war.
»Welche Schande, Signore! Welche Schande! Diese alte Blutsaugerin! Ist Euch bis hierher gefolgt und klebt an Euch fest, um
Euch Euer schönes rotes Blut auszusaugen! Und Ihr laßt sie gewähren! Ihr seid nicht sehr wählerisch, das muß ich schon sagen!
Diese alte Vettel! Sie könnte Eure Mutter sein! Mit ihren Falten, ihren Krampfadern, ihren Hängebrüsten!«
»Sie ist wunderbar gebaut!« rief er. »Und hier der Lohn, du dumme Gans, für dein respektloses Geschnatter!«
Damit stürzte er sich auf mich, schlug meine Röcke hoch und gab mir kräftig was auf den Hintern. Ich stöhnte – allerdings
nicht nur vor Schmerzen – und nestelte heimlich das Band auf, mit dem seine Hose am Wams
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