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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Oregon.
    Zuerst wusste sie nicht einmal, dass sie sich auf der Brücke wohlfühlte; es war einfach nur so ein komisches Gefühl, vielleicht lag es am Fieber, dass sie jetzt eine kleine Schraube locker hatte, aber eines Tages war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie einfach glücklich war, ein bisschen glücklich, und dass sie sich daran gewöhnen musste.
    Es stellte sich jedoch heraus, dass man gleichzeitig glücklich und ruhelos sein konnte; deshalb begann sie, ein wenig von Skinners Trödelgeld einzubehalten, um die Stadt zu erforschen. Damit war sie eine Zeit lang vollauf beschäftigt. Sie fand die Haight Street und folgte ihr bis zur Mauer um den Skywalker Park, in dem der Tempel des Todes stand, aber sie versuchte nicht, hineinzugehen. Da war ein langer, schmaler Park namens Panhandle, der noch öffentlich zugänglich war. Viel zu zugänglich, fand sie. Menschen, meistens alte oder solche, die alt aussahen, lagen Seite an Seite nebeneinander, in silbriges Plastik gehüllt, das die Sonnenstrahlen abhalten sollte, dieses knittrige Zeug, das glitzerte wie die Anzüge von Elvis in einem Video, das man ihnen in Beaverton manchmal gezeigt hatte. Chevette musste dabei
irgendwie an Maden denken, wie wenn jemand alle einzeln in kleine Stücke Folie eingewickelt hätte. Sie bewegten sich so ähnlich, immer nur ein kleines bisschen, und das war ihr nicht ganz geheuer.
    Haight Ashbury war ihr auch nicht ganz geheuer, obwohl es dort Gegenden gab, wo man sich fast wie auf der Brücke vorkam, kein normaler Mensch in Sicht, dafür Leute, die alles Mögliche einfach so draußen in der Öffentlichkeit machten, als ob hier nie die Cops kommen würden. Aber auf der Brücke hatte sie nie Angst, vielleicht, weil immer Leute um sie herum waren, die sie kannte, Leute, die dort lebten und die Skinner kannten. Doch sie sah sich gern in Haight Ashbury um, weil es dort viele kleine Geschäfte und viele Läden gab, in denen man billige Fressalien bekam. Sie kannte einen Bagelladen, wo man Bagels kriegte, die einen Tag alt waren, und Skinner meinte, dass sie dann ohnehin besser seien. Er sagte, frische Bagels seien praktisch Gift, dass man davon Verstopfung bekäme oder so. Solche Sachen bildete er sich öfters ein. In die meisten Geschäfte konnte sie tatsächlich reingehen, wenn sie leise war, ein freundliches Gesicht machte und die Hände in den Taschen behielt.
    Eines Tages sah sie auf der Haight Street ein Geschäft namens Colored People, und sie konnte nicht rausfinden, was es dort gab. Hinter dem Fenster hing ein Vorhang, und davor waren ein paar Dinge ausgestellt: Kakteen in Töpfen, große, rostige Metallklumpen und ein Haufen kleiner Stahldinger, poliert und glänzend. Ringe und so. Kleine Stifte mit runden Kugeln am Ende. Sie hingen an den Nadeln der Kakteen und lagen auf dem rostigen Metall. Sie beschloss, die Tür zu öffnen und einfach einen Blick hineinzuwerfen, weil sie ein paar Leute reingehen und rauskommen gesehen hatte und wusste, dass die Tür nicht verschlossen war. Ein großer, fetter Kerl in einem weißen Overall mit kahlrasiertem Schädel kam pfeifend heraus,
zwei groß gewachsene Frauen mit schwarzen Haaren, die wie hübsche Krähen aussahen und ganz schwarz gekleidet waren, gingen hinein. Sie fragte sich, was das für ein Laden war.
    Sie steckte den Kopf hinein. Hinter einer Theke stand eine Frau mit kurzen roten Haaren, und sämtliche Wände waren mit bunten, comicartigen Bildern bedeckt, Farben, die einem in den Augen wehtaten, alles nur Schlangen und Drachen und so. Zu viele Bilder, um alles in sich aufnehmen zu können – Chevette trat zunächst mal ein, als die Frau sagte, komm rein, versperr nicht bloß die Tür, und erst dann sah sie, dass diese Frau eine ärmellose Flanellhemdbluse trug, die bis zum Nabel offen war, und dass ihre Brust und ihre Arme komplett mit den gleichen Bildern bedeckt waren.
    Im Heim und vorher auf der Straße hatte Chevette zwar schon Tätowierungen gesehen, aber das waren solche gewesen, die man selber machte, mit Tinte und Nadeln, Garn und einem alten Kugelschreiber. Sie ging hinüber und warf einen eingehenden, langen Blick auf die explodierenden Farben zwischen den Brüsten der Frau – die, obwohl sie vielleicht dreißig war, nicht so groß waren wie die von Chevette – , da waren ein Tintenfisch, eine Rose und blaue Blitze, alles ineinander verschlungen, kein Stück unberührte Haut mehr.
    »Kann ich was für dich tun«, fragte die Frau, »oder wolltest du bloß mal

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