Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
gucken?«
Chevette blinzelte. »Nein«, hörte sie sich sagen, »aber ich hab mich gefragt, was das für kleine Metalldinger sind, da im Fenster.«
Die Frau drehte ein großes schwarzes Buch auf der Theke zu ihr herum. Es sah wie ein Schulhefter aus, nur dass der Einband aus schwarzem Leder mit Chromverzierungen war. Sie schlug es auf, und Chevette hatte das Ding von einem Kerl vor der Nase, ein großes Ding, das einfach so
runterbaumelte. Zu beiden Seiten der keilförmigen Eichel war je eine kleine Stahlkugel.
Chevette stieß nur einen Grunzlaut aus.
»Das nennt man einen Amphalang«, sagte die Frau. Sie begann, das Buch durchzublättern. »Hanteln«, sagte sie. »Eine Septumnadel. Ein Labrumknopf. Das ist ein Eichelring. Dies hier nennt sich Milchkanne. Das sind Bombengewichte. Edelstahl, Niobium, Weißgold, vierzehn Karat.« Sie schlug zu dem Schniedel mit dem Bolzen zurück, der seitlich durch die Spitze ging. Vielleicht war es ein Trick, dachte Chevette, ein Trickbild.
»Das muss doch wehtun«, sagte sie.
»Nicht so sehr, wie man denkt«, diese laute, tiefe Stimme, »und danach isses einfach nur noch geil …«
Chevette schaute zu diesem schwarzen Typ hoch, zu seinem breiten, weißen Grinsen, all den Zähnen und der Mikropore-Filtermaske, die ihm unter dem Kinn hing, und so hatte sie Samuel Saladin DuPree kennengelernt.
Zwei Tage später sah sie ihn am Union Square wieder, wo er mit einem Haufen von Fahrradkurieren rumhing. Da gehörten die Kuriere für sie schon zu den Sachen in der Stadt, die einen zweiten Blick wert waren. Sie hatten Klamotten und Haare wie niemand sonst, und Fahrräder mit Neonlicht und Leuchträdern, deren Lenker wie Skorpionschwänze nach oben gekrümmt und umgebogen waren. Und Helme mit kleinen Funkgeräten drin. Entweder flitzten sie gerade irgendwohin, oder sie gammelten nur so rum, hingen ab und tranken Kaffee.
Er stand da, mit der Querstange seines Fahrrads zwischen den Beinen, und aß ein Sandwich. Musik kam aus dem schwarz gefleckten, pinkfarbenen Rahmen, hauptsächlich Basstöne, und er wippte irgendwie dazu. Sie kam langsam näher, um sich das Rad und seine Bauweise besser anschauen zu können; die komplizierte Konstruktion seiner Bremsen und Schaltungen zog sie sofort an. Schönheit.
»Bing Bang«, sagte er mit einem Bissen Sandwich im Mund, »mein Am -phalang. Wo hast du denn die Schuhe her?«
Es waren welche von Skinner, alte Stoffturnschuhe, die zu lang für sie waren, so dass sie vorn ein bisschen Papier reingestopft hatte.
»Hier.« Er hielt ihr eine Hälfte seines Sandwich hin. »Ich bin schon pappsatt.«
»Dein Rad«, sagte sie und nahm das Sandwich.
»Was ist damit?«
»Es ist … es ist …«
»Gefällt’s dir?«
»Mhm!«
Er grinste. »Sugawara-Rahmen, Sugawara-Kettenantrieb und Zahnkranz, Zuni-Hydraulik. Erste Sahne.«
»Die Räder sind toll«, sagte Chevette.
»Na ja«, sagte er, »das ist bloß, um aufzufallen. Damit die Motherfucker dich sehn, bevor sie dich umnageln, verstehst du?«
Chevette fasste den Lenker an. Spürte die Musik.
»Iss das Sandwich«, sagte er. »Siehst aus, als könntest du’s brauchen.« Sie konnte und sie tat es, und auf diese Weise kamen sie miteinander ins Gespräch.
Während sie ihre Räder die Sperrholztreppe hinauftrugen, erzählte ihm Chevette von der Japanerin, die aus dem Fahrstuhl gefallen war und dass sie, Chevette, nicht mal auf der Party gewesen wäre, wenn sie nicht gerade in diesem Augenblick genau dort gestanden hätte. Sammy grunzte. Seine Fluorofelgen waren jetzt von einem stumpfen Beigegrau, weil sie sich nicht mehr drehten.
»Wer hat die Fete geschmissen, Chev? Hast du mal dran gedacht, jemand zu fragen?«
Sie erinnerte sich an diese Maria. »Cody. Sie hat gesagt, es wäre Codys Party …«
Sammy Sal blieb stehen. Seine Brauen hoben sich. »Hm. Cody Harwood?«
Sie zuckte die Achseln. Das Papierrad auf ihrer Schulter wog so gut wie nichts. »Keine Ahnung.«
»Weißt du, wer das ist?«
»Nein.« Sie kam auf dem Absatz an und setzte das Fahrrad ab, um es zu schieben.
»Das große Geld. Werbung. Harwood Levine war sein Vater.«
»Tja, hab ich dir ja gesagt, dass es reiche Leute waren.« Sie schenkte ihm nicht viel Aufmerksamkeit.
»Die Firma seines Vaters hat Millbanks PR gemacht, bei beiden Wahlen.«
Aber sie aktivierte jetzt die Erkennungsschlaufe, ohne sich um die Radio-Shack-Heuler zu kümmern. Sammys Fluorofelgen pulsierten, als er sein Fahrrad neben ihrem abstellte. »Ich schließ es
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