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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Treasure.
    Wer, die? Der mit der Knarre. Der wegen der Brille gekommen war. Er war wegen der Brille gekommen und hatte
Sammy getötet. War er von den Leuten geschickt, die Bunny und Wilson, den Eigentümer, angerufen hatten? Privatcops. Sicherheitsbullen.
    Das Etui in ihrer Tasche. Glatt. Und dieser unheimliche Trickfilm von der Stadt, diese Türme, die oben breiter wurden. Wie Sonnenblumen.
    Sunflower.
    »Lieber Gott«, sagte sie, »wohin? Wo soll ich bloß hin? «
    Nach Treasure, wo die Wolfsmenschen und die Todesfreaks herumstrichen, die bösartigen Irren, die von der Brücke verjagt worden waren und jetzt die Wälder da drüben unsicher machten? Sei früher mal eine Navy-Basis gewesen, sagte Skinner, aber kurz nach dem Little Grande hätte eine Seuche allem ein Ende gemacht, eine Seuche, die die Augen in Matsch verwandelte, und dann fielen einem die Zähne aus. Das Treasure-Island-Fieber, vielleicht irgendwas, das auf dem Navy-Gelände nach dem Erdbeben aus einem Kanister entwichen war. Deshalb ging da jetzt keiner mehr hin, jedenfalls kein normaler Mensch. Manchmal sah man nachts ihre Feuer und bei Tag den Rauch, und man ging schnurstracks zum Oaklandbogen hinüber, zu dem Ausleger, aber die Leute, die dort lebten, waren eigentlich nicht die gleichen wie die Leute hier auf der Hängebrücke.
    Oder sollte sie umkehren und versuchen, ihr Fahrrad zu holen? Eine Stunde Fahrt, dann wären die Bremsen wieder geladen. Sie sah sich einfach nur fahren, vielleicht nach Osten, immer tiefer hinein, in das Land dort, wie es auch sein mochte – Wüsten, wie man sie im Fernsehen sah, dann flache, große Farmen, wo große Maschinen in Reih und Glied angerollt kamen und ihre Arbeit verrichteten. Aber dann fiel ihr die Straße von Oregon hierher wieder ein, die Trucks, die in der Nacht vorbeizogen, knurrend wie tollwütige Tiere, die sich verirrt hatten, und sie stellte sich vor, wie es wäre, diese Straße entlangzufahren. Nein, auf einer
Straße wie der war kein Platz , nichts, was menschliche Dimensionen hatte, und kaum je auch nur ein Licht in all den Feldern der Dunkelheit. Dort konnte man endlos weit laufen, immer weiter, ohne je irgendwohin zu gelangen, nicht mal an einen Ort, wo man sich hinsetzen konnte. Mit einem Rad würde sie da draußen nirgends hinkommen.
    Oder sie konnte zu Skinner zurück. Sie konnte hinaufklettern und nachschauen … Nein. Diesem Gedanken schob sie sofort einen Riegel vor.
    Die Leere stieg aus den regengepeitschten Schatten auf wie ein Gas, und sie hielt die Luft an, um sie nicht einzuatmen.
    So war das, wenn man Dinge verlor – es war, als ob man dann zum ersten Mal bemerkte, dass man sie vorher gehabt hatte. Die Mutter musste sich aus dem Staub machen, damit man merkte, dass sie überhaupt da gewesen war, denn sonst war sie dieser Ort, einfach alles, wie das Wetter. Und Skinner und der Coleman-Kocher und das Öl, das sie in das kleine Loch gießen musste, damit die Lederdichtung weich blieb und die Pumpe arbeitete. Man wachte nicht jeden Morgen auf und sagte Ja und Ja zu jedem kleinen Ding. Aber alles bestand aus solchen kleinen Dingen. Allein schon, jemanden zu sehen, wenn man aufwachte. Oder Lowell. Als sie Lowell gehabt hatte – falls man das so sagen konnte, obwohl sie vermutete, dass es eigentlich nicht zutraf — , aber als er da gewesen war, war er ein bisschen so was gewesen …
    »Chev? Bist du das?«
    Und da war er. Lowell. Saß im Schneidersitz auf einem rostigen Kühlapparat mit dem Schriftzug Shrimp vorne drauf, rauchte eine Zigarette und sah zu, wie der Regen von der Markise des Shrimpmanns triefte. Sie hatte ihn seit drei Wochen nicht mehr gesehen, und das Einzige, woran sie denken konnte, war, dass sie wirklich total beschissen aussehen musste. Dieser kleine Skinhead, den sie Codes
nannten, saß neben ihm, die schwarze Kapuze eines Sweatshirts auf dem Kopf und die Hände in den langen Ärmeln verborgen. Codes hatte sie noch nie leiden können.
    Aber Lowell grinste um die Glut seiner Zigarette herum. »Na«, meinte er, »sagst du nun ›Hallo‹, oder was?«
    »Hallo«, sagte Chevette.

21 KOGNITIVE DISSIDENTEN
    Rydell glaubte nicht so recht an die ganze Brückengeschichte, und noch weniger daran, was Freddie im Lebensmittelmarkt und auf dem Rückweg von North Beach zu dem Thema zu sagen gehabt hatte. Ihm fiel immer wieder die Dokumentation ein, die er in Knoxville gesehen hatte, und er war ziemlich sicher, dass darin kein Wort über Kannibalen und Sekten gefallen war. Er

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