Idoru
gibt.«
»PR«, sagte Chia.
»Willst du damit andeuten, daß Angestellte von Lo/Rez uns belügen?«
»Hör mal«, sagte Chia, »ich steh genauso auf die Band wie alle hier. Ich hab mir diesen weiten Weg gemacht, oder? Aber die Leute, die für sie arbeiten, sind einfach nur Leute, die für sie arbeiten. Wenn Rez eines Abends in einem Club auf die Bühne geht, das Mikro nimmt, verkündet, daß er sich in diese Idoru verliebt hat, und schwört, daß er sie heiraten wird, dann werden die PR-Leute alles sagen, was sie glauben sagen zu müssen.«
»Aber du hast keinen Beweis dafür, daß es wirklich so war.
Nur ein anonymes Posting, das die Transkription einer Aufzeichnung aus einem Club in Shinjuku sein soll.«
»›Monkey Boxing‹. Wir haben nachgesehen; den gibt es.«
»Wirklich? Vielleicht solltest du hingehen.«
»Warum?«
»Es gibt keinen Club namens Monkey Boxing mehr.«
»Nein?«
»Clubs in Shinjuku sind extrem kurzlebig. Es gibt kein Monkey Boxing.« Hiromis ganze eitle Befriedigung kam in der Übersetzung des Sandbenders rüber.
-121—
Chia starrte in das glatte Silbergesicht. Das Miststück mauerte. Was sollte sie tun? Was würde Zona Rosa an ihrer Stelle tun? Irgendwas mit symbolischer Gewalt, dachte Chia.
Aber das war nicht ihr Stil.
»Vielen Dank«, sagte Chia. »Wir wollten uns nur vergewissern, daß es nicht wahr ist. Tut mir leid, daß ich dich so bedrängt habe, aber wir mußten sicher sein. Wenn du sagst, daß es nicht stimmt, dann akzeptieren wir das. Uns allen liegt viel an Rez und am Rest der Band, und wir wissen, euch auch.«
Chia fügte noch eine Verbeugung hinzu, die Hiromi zu überrumpeln schien.
Jetzt war es der Roboter, der zögerte. Hiromi hatte nicht erwartet, daß Chia einfach so umschwenken würde. »Unseren Freunden in der Lo/Rez-Organisation ist sehr daran gelegen, daß sich dieser sinnlose Streich nicht auf die Einstellung des Publikums zu Rez auswirkt. Du weißt ja, daß es immer schon eine Tendenz gegeben hat, ihn als das kreativste, aber auch labilste Mitglied der Band darzustellen.«
Zumindest letzteres stimmte, obwohl Rez’ Form der Labilität – verglichen mit den meisten seiner Vorgänger in der Popkultur – ziemlich dezent war. Er war noch nie verhaftet worden, hatte noch keine Nacht im Gefängnis verbracht.
Dennoch war er derjenige, der am ehesten in Schwierigkeiten geraten würde. Das hatte schon immer einen Teil seines Charmes ausgemacht.
»Natürlich«, spielte Chia mit und genoß die Unsicherheit, die sie zweifellos bei Hiromi auslöste. »Und Lo versuchen sie als eine Art langweiligen Techniker hinzustellen, den Praktiker, aber wir wissen ja, daß das auch nicht stimmt.« Sie hängte noch ein Lächeln dran.
»Ja«, sagte Hiromi, »selbstverständlich. Aber bist du denn nun zufrieden? Wirst du deiner Ortsgruppe berichten, daß dies alles nur das Ergebnis eines Streichs war und daß mit Rez alles -122—
in Ordnung ist?«
»Wenn du es sagst«, antwortete Chia, »vollkommen. Und wenn die Sache damit erledigt ist, dann habe ich in Japan noch drei Tage totzuschlagen.«
»Totzuschlagen?«
»Eine Redewendung«, sagte Chia. »Freie Zeit. Mitsuko meint, ich sollte mir Kioto ansehen.«
»Kioto ist sehr schön …«
»Bin schon unterwegs«, sagte Chia. »Vielen Dank, daß ihr diesen Site für unser Treffen angelegt habt. Er ist wirklich toll, und wenn ihr ihn abspeichert, würde ich ihn später gern noch mal mit den Mitgliedern meiner Ortsgruppe besuchen.
Vielleicht könnten wir uns alle hier treffen, wenn ich wieder in Seattle bin, und unsere Ortsgruppen miteinander bekanntmachen.«
»Ja …« Hiromi wußte überhaupt nicht, was sie von Chias Benehmen halten sollte.
Zerbrich dir ruhig ordentlich den Kopf, dachte Chia.
»Du hast es gewußt«, sagte Chia. »Du hast gewußt, daß sie das tun würde.«
Mitsuko wurde knallrot. Sie schaute auf den Boden, ihren Geleebeutel-Computer auf dem Schoß. »Es tut mir leid. Es war ihre Entscheidung.«
»Sie haben sich an sie rangemacht, stimmt’s? Sie haben ihr gesagt, sie soll mich abwimmeln und alles vertuschen.«
»Sie hat privaten Kontakt mit den Lo/Rez-Leuten. Das ist eins der Privilegien ihrer Position.«
Chia hatte noch ihre Fingersets an. »Ich muß jetzt mit meiner Ortsgruppe sprechen. Kannst du mich fünf Minuten alleinlassen?« Mitsuko tat ihr leid, aber sie war noch immer wütend. »Ich bin nicht sauer auf dich, okay?«
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»Ich mache Tee«, sagte Mitsuko.
Als Mitsuko die Tür hinter
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