Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
sich geschlossen hatte, überzeugte sich Chia, daß der Sandbenders noch am Port angeschlossen war, setzte die Brille wieder auf und wählte den Haupt-Site der Ortsgruppe Seattle an.
    Sie kam gar nicht erst dort an. Zona Rosa wartete schon auf sie und fing sie ab.
    -124-

15 Akihabara
    T iefhängende graue Wolken lasteten auf der senkrecht aufragenden, grauen Stadt. Ein Blick auf Neubauten durch die getönten, mit Spitzenvorhängen verhängten Fenster der Mini-Limousine.
    Sie kamen an einer Apple-Shires-Anzeige vorbei. Eine Kopfsteinpflasterstraße führte in ein holografisches Kinderland, in dem lächelnde Saftflaschen tanzten und sangen.
    Laneys Jetlag war wieder da, in einer gemilderten, aber zugleich barockeren Gestalt. Eine Mischung aus durchdringendem Schuldbewußtsein und einem Gefühl physischer Distanz von seinem eigenen Körper, als wären die sensorischen Signale nach einer zu langen Reise durch ein anderes Land, das er selbst nie hatte betreten dürfen, schon bei ihrer Ankunft veraltet.
    »Ich dachte, wir hätten das alles hinter uns, als wir diese sibirischen Neuropathen losgeworden waren«, sagte Blackwell.
    Er war vollständig in Schwarz gekleidet, was seine massige Gestalt ein wenig kleiner wirken ließ. Er trug ein weiches, kittelartiges Gewand mit mehreren Taschen am weiten Saum, das aus pechschwarzer Baumwolle genäht war. Laney fand, daß es entfernt japanisch aussah, auf eine mittelalterliche Art.
    Wie es ein Zimmermann tragen mochte. »Total durchgeknallte Typen. Haben sie während der Tour durch die Kombinat-Staaten aufgelesen.«
    »Neuropathen?«
    »Die haben Rez total die Birne zugemüllt. Er ist anfällig für Einflüsse, wenn er auf Tour ist. Kombination aus Streß und Langeweile. Die Städte sehen mit der Zeit alle gleich aus. Ein -125—Hotelzimmer nach dem andern. Es ist ein Syndrom, das ist es.«
    »Wo fahren wir hin?«
    »Akihabara.«
    »Wohin?«
    »Wohin wir fahren.« Blackwell zog ein riesiges Chronometer mit kompliziertem Ziffernblatt und stählernem Armband zu Rate, das aussah, als sollte es nebenbei noch als Schlagring fungieren. »Hat einen Monat gedauert, bis sie mich machen ließen und ich tun konnte, was nötig war. Dann haben wir ihn in eine Klinik in Paris geschafft, und da haben sie uns erzählt, das Zeug dieser Mistkerle hätte sein endokrines System durch den Fleischwolf gedreht. Schließlich haben sie ihn wieder hingekriegt, aber es hätte alles gar nicht erst soweit kommen müssen.«
    »Aber Sie sind sie losgeworden?« Laney hatte keine Ahnung, wovon Blackwell sprach, aber es schien ihm am besten zu sein, die Illusion eines Gesprächs aufrechtzuerhalten.
    »Hab ihnen erklärt, ich hätte nicht übel Lust, sie mit dem Kopf voran in einen kleinen Honda-Häcksler zu stecken, den ich für den Fall gekauft hatte, daß ich ihn zufällig mal brauchen würde«, sagte Blackwell. »War nicht nötig. Hab ihnen das Ding aber gezeigt. Am Ende sind sie bloß dezent runderneuert weggeschickt worden.«
    Laney schaute auf den Hinterkopf des Fahrers. Es störte ihn, daß der Wagen rechtsgesteuert war. Er hatte das Gefühl, als ob niemand auf dem Fahrersitz säße. »Wie lange, sagten Sie, arbeiten Sie schon für die Band?«
    »Fünf Jahre.«
    Laney dachte an den Film, an Blackwells Stimme in dem abgedunkelten Club. Vor zwei Jahren. »Wo fahren wir hin?«
    »Sind gleich da.«
    Sie kamen in ein Gebiet mit schmaleren Straßen und -126—
    gesichtslosen, etwas schäbigen Häusern, die von unbeleuchteter, deaktivierter Reklame bedeckt waren. Riesige Darstellungen von Medienplattformen, die Laney nicht kannte.
    Einige der Häuser wiesen Schäden auf, die vermutlich vom Erdbeben stammten. Kopfgroße Klumpen einer bräunlichen, gläsernen Substanz quollen aus Rissen, die sich diagonal über eine Fassade zogen, als hätte ein ungeschickter Riese ein billiges Spielzeug mehr schlecht als recht repariert. Die Limousine fuhr links ran.
    »›Electric Town‹«, sagte Blackwell. »Ich laß Sie dann rufen«, wandte er sich an den Fahrer, der auf eine Weise nickte, die auf Laney nicht sonderlich Japanisch wirkte. Blackwell machte die Tür auf und stieg mit der gleichen unglaublichen Anmut aus, die Laney zuvor schon aufgefallen war. Der Wagen kam merklich hoch, als er von der Last befreit wurde. Laney rutschte über den grauen Velourssitz. Er war müde und kam sich hölzern vor.
    »Irgendwie hatte ich was Besseres erwartet«, sagte er zu Blackwell. Es war die Wahrheit.
    »Hören Sie auf, irgendwas zu

Weitere Kostenlose Bücher