Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
ohne den Blick zu heben, am Tisch der Wirtin vorbei und bezahlte wortlos sein Essen; an der Tür zog er sich die graue Trainingshose hoch und spuckte, bevor er das Lokal verließ, auf den Bürgersteig.
    »Versuchen Sie sich den Begleiter der Frau vorzustellen«, sagte Fischer. »Er trug eine grüne Hose, was noch? Eine Jacke? Welche Farbe?«
    Nach einem vergeblichen Blick zu ihrem Kollegen, gegen dessen Miene jedes Pokerface wie eine verräterische Grimasse wirkte, seufzte Su Chen. »Braun oder schwarz, weiß nicht. Bitte. Hab nur Frau gesehen.«
    »Warum?« fragte Liz.
    »Starkes Parfüm«, sagte die Wirtin. »Sehr gut, und schöne Lippen, große Lippen, rot, hübsche Frau, lacht viel. Möchten Sie essen? Suppe, geht auf Haus.«
    »Danke, das ist nicht nötig«, sagte Fischer.
    »Bestell dir was, ich lade dich ein.«
    »Könnt ich eine Wan-Tan-Suppe bekommen, bitte?«
    »Wan-Tan-Suppe, und Sie bitte?«
    »Haben Sie Sommerrollen?«
    Su Chen lachte. »Nein, nur Frühlingsrollen. Sommerrollen in Vietnam-Lokal, wir haben Frühlingsrollen.«
    »Die nehme ich. Fällt Ihnen zu dem Mann noch etwas ein? Es ist sehr wichtig.«
    »Wichtig, ja. Nein. Ich glaub, schwarze Haare.«
    »Hatte er einen Bart?« fragte Liz.
    »Bart? Nein. Wenig Bart. Stoppeln.« Sie zeigte auf Fischers Gesicht.
    »War er unrasiert, so wie ich?«
    Su Chen schüttelte heftig den Kopf. »Sie nicht unrasiert! Sieht gut aus, so. Mann hatte längeren Bart, etwas länger, keinen großen Bart. Jetzt essen.« Sie nickte ihnen zu und verschwand in der Tür zur Küche.
    Fischer wartete einen Moment. »Esther hat angerufen, wir wissen, wie die Frau heißt: Nele Schubart. Sie arbeitet in der Parfümabteilung eines Kaufhauses, eine Kollegin hat sie auf dem Foto erkannt. Und sie wohnt am Nothkaufplatz, das ist in Hadern.«
    »Ist das weit weg von dem Haus, wo ihre Leiche lag?«
    »Nicht weit genug.«
    »Was meinst du damit?«
    »Die Frau wurde nicht professionell ermordet. Ein Routinier hätte ihre Leiche woandershin gebracht, weit außerhalb ihres persönlichen Umfelds.«
    »Ein Routinier. Du benutzt manchmal Ausdrücke!« Es fiel Liz schwer, sich nicht nur auf das Grollen ihres Magens zu konzentrieren. »Und was ist das Gegenteil von einem Routinier?«
    »Ein Kind.«
    »Bitte?«
    »Allgemein gesprochen«, sagte Fischer. Liz blinzelte nervös, sie sah blaß aus, mitgenommen.
    »Nur ein Kind ist kein routinierter Mensch, aber das wollte ich nicht sagen. Sondern: Wir bewegen uns auf einen Privatverbrecher zu, oder auf mehrere Privatverbrecher.«
    »Schon wieder so ein Wort!« Liz hörte Geräusche in der Küche und konnte nicht verhindern, angespannt zu der schmalen Durchreiche zu starren. »Entschuldige. Seit heut früh hab ich nichts mehr gegessen, ich glaub, mir ist schwindlig.«
    »Wir hätten gern zwei große Gläser Mineralwasser«, sagte Fischer zum Tresen hin. Gleichgültig klappte der Chinese sein Buch zu.
    »Gute Idee«, sagte Liz. Die aufgeschlagene Zeitung mit dem Foto der Toten lag vor ihr.
    »Privatverbrecher also. Klingt nach Privatvergnügen.«
    »Jeder von uns versucht die Wörter zu benutzen, mit denen er das Unsagbare am besten ausdrücken kann«, sagte Fischer.
    »Wörter für das Unsagbare? Was ist an einem Mord unsagbar?«
    »Daß er geschehen ist und auf welche Weise.«
    »Das kann ich doch sagen«, sagte sie. Dann sagte sie nichts mehr. Der Chinese stellte die Gläser auf den Tisch und eilte in seine Festung zurück. Su Chen brachte das Essen. Liz tunkte den rotweißen Plastiklöffel in die Schale und verbrannte sich die Zunge. Fischer träufelte Sojasauce über seine Röllchen, versuchte den ersten Bissen mit Messer und Gabel zu nehmen und aß dann mit der Hand weiter.
    »Bitte guten Appetit«, sagte die Wirtin. Hinter dem Tresen flüsterte sie mit ihrem Kollegen, und aus den Augenwinkeln bemerkte Fischer, wie sie unauffällig seinen Arm streichelte.
    »Über diese Dinge sprechen wir ein andermal«, sagte Fischer.
    Liz wischte sich den Mund ab.
    »Das Zweitwichtigste habe ich dir noch nicht erzählt.« Sie trank einen Schluck Mineralwasser und hielt das Glas mit beiden Händen fest.
    »Nele Schubart, die tote Frau, hat eine Tochter. Die Zeugin sagt, das Mädchen ist sieben oder acht.«
    »Wo ist das Mädchen?«
    »Esther und Micha sind auf dem Weg zum Nothkaufplatz.«
    »O Gott.« Liz stellte das Glas hin. »Und so einen nennst du Privatverbrecher? Hängt die Mutter auf, verschleppt ihr Kind. Oder glaubst du, die sitzt daheim ganz still und

Weitere Kostenlose Bücher