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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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schreiben.
    »Das will ich nicht!« sagte Flies.
    »Dann sind Sie aussagebereit?«
    »Kann ich einen Kaffee kriegen?«
    Fischer sah an ihm vorbei zu Valerie. »Auf Wunsch des Verdächtigen wird die Vernehmung für fünf Minuten unterbrochen.«
    Valerie speicherte das Geschriebene und verließ den Raum. Flies hatte die Arme immer noch hinter der Stuhllehne verschränkt. Er starrte dem Kommissar in die Augen und auf die Nase.
    »Sie können ruhig mit mir reden«, sagte er.
    »Worüber?«
    »Ich geh niemals ins Gefängnis, Mister Fischer, vorher erschieß ich mich, das können Sie gleich in Ihre Akte schreiben.«
    »Besitzen Sie eine Waffe?«
    »Wozu denn?«
    »Womit wollen Sie sich dann erschießen?«
    »Wie reden Sie mit mir?« Er ruckte mit dem Stuhl, ohne die Hände zu benutzen. »Hab ich das richtig in Erinnerung: Sie waren mal Mönch? Im Kloster? Mußten Sie auch jeden Tag um Viertel nach fünf aufstehen?«
    »Wer noch?«
    »Was?«
    »Wer mußte noch um Viertel nach fünf aufstehen?«
    »Ines.«
    Valerie kam mit einem Tablett, stellte zwei Tassen Kaffee auf den Tisch, daneben einen Zuckerstreuer und ein Kännchen Milch, und setzte sich an ihren Computer.
    Nach einem langen Blick auf die Tasse streckte Flies die Hand aus, näherte sie dem Henkel, um sie kurz davor zurückzuziehen; seine Hand zitterte.
    »Fortsetzung der Vernehmung«, sagte Fischer; er benutzte das Wort nur wegen des Protokolls.
    »Sprechen Sie weiter.« Wie zu Beginn ihres Gesprächs faltete er die Hände auf dem Tisch und sah Flies in die Augen.
    »Wenn Sie mich so anschauen, verlier ich den Faden.«
    »Ines ist die Frau, die bis Freitag abend bei Ihnen im Hotel gewohnt hat.«
    »Viertel nach fünf«, sagte Sebastian Flies, und es klang, als spreche er zu jemand anderem, als beschwöre er die Gegenwart eines Menschen, dessen Auftauchen ihn nicht weniger verstört hatte als sein Verschwinden.
    Während er redete, schien er weder Fischer noch irgendeinen Gegenstand im Raum wahrzunehmen. Er bewegte den Oberkörper vor und zurück, als schwanke der Boden unter ihm oder als trieben ihn die Klänge einer Musik, die nur er hörte, von einer Erinnerung zur nächsten. Manchmal streifte sein Blick das Kruzifix an der Wand, dann zuckten seine Lider. Er stockte, ertastete mit der rechten Hand die Kaffeetasse, hob sie zitternd zum Mund und trank schlürfend. Das Abstellen der Tasse war ein langsamer, qualvoller Vorgang. Den linken Arm hatte er weiter um die Stuhllehne gelegt, als würde er sonst vornüberkippen. Er schwitzte am ganzen Körper.
    Je länger sein Furor ihn mitriß, desto leidender wirkte sein Gesichtsausdruck, seine Gesten verwandelten sich in dramatisches Gefuchtel, und seine sachlich klingenden Aussagen, seine scheinbar intimen Bekenntnisse und seine monologischen Beschwörungen trieben ihn in einen Zustand, den Polonius Fischer von vielen Zeugen und Verdächtigen kannte, die in diesem Raum vor ihm gesessen und mit großem inneren Aufwand versucht hatten, den verhunzten Dingen ihres Lebens im nachhinein eine gefällige, entschuldbare Gestalt zu verleihen. Das war der Zustand des Selbstmitleids. Wer darin die höchste Stufe erreichte, kehrte frühestens in einer U-Haftzelle in sein reales Bewußtsein zurück. Und bei manchen setzte die Ernüchterung erst lange nach der Verurteilung ein, im ichlosen Alltag eines Gefängnisses.
    Obwohl Fischer den nach Alkohol und ungewaschenen Kleidern riechenden Mann, der an diesem Morgen vor ihm saß, für einen Spätausnüchterer hielt, glaubte er noch lange nach Beginn des Gesprächs, daß Flies zur Welt von Nele und Katinka Schubart gehörte. Und er hätte es für reichlich abwegig gehalten, daß ausgerechnet etwas von dem, was er gestern bei Tisch vorgetragen hatte, schon am nächsten Morgen von seiner Arbeit Besitz ergreifen und ihn mit einer unerhörten Form von Synchronizität konfrontieren sollte.
    »Jeden Tag um Viertel nach fünf aufstehen«, sagte Ines, eingehüllt in die Bettdecke, unter der sie einen schwarzen Pullover und eine grüne Hose trug, die ihr der Mann, mit dem sie unerschrokken mitgegangen war, geliehen hatte. »Laudes um Viertel vor sechs, jeden Tag, drei Jahre und elf Monate. Zuerst hab ich einen weißen Schleier bekommen, dann einen schwarzen. Den Ring und das Brevier hab ich dort gelassen, ich werd nie wieder in einem Kloster leben, ich hab mich getäuscht. Die Kette, die ich um den Hals trag, war ein Geschenk, die halt ich in Ehren.«
    »Es heißt, man geht ins Kloster, um Gott zu

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