If You Stay – Fuereinander bestimmt
denkt. Sie kennt mich nicht, und es ist mein persönliches Lieblingsärgernis, wenn die Leute mich verurteilen, ohne zu wissen, wovon, zum Teufel, sie überhaupt reden.
»Ja, das tut es«, erwidere ich und lächele freundlich. Ich habe allerdings nicht vor, vor ihr zu katzbuckeln. Wenn sie das glaubt, dann tickt sie nicht richtig. »Mila war meine Lebensretterin.«
Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Madison weiß nicht so recht, wie sie reagieren soll. Ich sehe ihr an, dass sie gern mehr sagen würde, doch es gibt wirklich keinen Weg, dies zu tun, ohne dabei total unhöflich zu erscheinen. Sie dreht sich verärgert von mir weg und gibt Mila einen Kuss auf die Wange.
»Ich muss zurück ins Restaurant. Wir sehen uns dann morgen, ja«? Sie schaut ihre Schwester eindringlich an, so als wolle sie sie, ohne ein Wort zu verlieren, vor mir warnen. Dann blickt sie noch einmal zu mir herüber.
»Schön, dass wir uns mal kennengelernt haben.« Eine Höflichkeitsfloskel, möchte ich wetten.
Sie schreitet in ihren modischen Stiefeln davon, die auf dem Fliesenboden ein klackendes Geräusch verursachen. Die Glöckchen über der Tür bimmeln, und dann ist sie verschwunden.
Ich sehe Mila an.
»Deine Schwester kann mich wohl nicht besonders gut leiden.«
Es ist weniger eine Frage als eine Feststellung. Und selbst ich vermag die Zwiespältigkeit in meiner Stimme herauszuhören. Es ist offensichtlich, dass mir das egal ist.
Mila lächelt.
»Na, du scheinst deshalb aber nicht gerade am Boden zerstört zu sein.«
Ich zucke mit den Schultern. »Bin daran gewöhnt.«
Mila mustert mich stumm.
»Warum bist du wirklich hier?«, fragt sie. »Du hättest mir keinen Pullover vorbeibringen müssen. Und schon gar nicht sechs.« Sie kichert. »Wenigstens bin ich jetzt gut gerüstet für die Weihnachtszeit. Also, vielen Dank dafür.«
Sie hält inne und sieht mich an. Sie hat ein schmales Gesicht und feine Züge. Mir ist zuvor gar nicht aufgefallen, wie zierlich sie eigentlich ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie mich aus dem Wagen gezogen hat. Ich muss an die hundert Pfund mehr wiegen als sie.
»Also?« Sie sieht mich erwartungsvoll an, und mir wird klar, dass ich ihre Frage noch nicht beantwortet habe. Ich weiß nicht genau, was ich sagen soll, also entscheide ich mich für die Wahrheit, was mir neu ist.
»Ich war mir nicht sicher, ob ich mich bei dir für das, was du getan hast, bedankt habe«, sage ich. »Und außerdem bekomme ich dich nicht mehr aus dem Kopf.«
Das verschlägt ihr für einen Moment die Sprache, und ich frage mich, ob das ein gutes Zeichen ist oder nicht. Hat sie die Wahrheit erschreckt? Oder hat sie auch an mich denken müssen?
Ich sehe sie an.
Und für einen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen. Sie beißt sich auf die Unterlippe. Ihre grünen Augen glänzen. Sie dreht ihr Gesicht ein wenig, so dass das Sonnenlicht vom Fenster auf die Rundung ihrer Wange fällt.
Wir scheinen eine kleine Ewigkeit so dazustehen.
Doch dann bricht sie den Zauber.
»Du hast an mich gedacht?«, flüstert sie. »Wieso?«
»Ich weiß es nicht«, erwidere ich ehrlich. »Vielleicht habe ich das Gefühl, als sei ich dir was schuldig.«
»Das bist du nicht«, entgegnet sie mit klarer Stimme und bestimmtem Tonfall, wie aus der Pistole geschossen. »Du schuldest mir gar nichts. Ich bin froh, dass ich helfen konnte, aber es war reiner Zufall, und jeder andere hätte das Gleiche getan.«
Ihre Hand flattert nervös, als sie ein paar Papiere auf der Ladentheke hin und her schiebt. Ich schüttele den Kopf und lächele.
»Nein, das hätte nicht jeder getan«, sage ich. »Ganz bestimmt nicht.«
Sie zögert, erinnert sich vermutlich an jene Nacht und daran, dass ich sie anscheinend vollgekotzt habe. Doch dann lächelt auch sie.
»Also schön. Nicht jeder hätte Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht. Vielleicht bist du mir wirklich was schuldig. Was gedenkst du also zu tun?«
Ihre frechen Worte scheinen sie ebenso zu verwundern wie mich. Sie sieht überrascht aus, doch niemand könnte überraschter sein als ich. Flirtet sie etwa mit
mir?
Ach, was hab ich für große Zähne.
Ich fühle mich wieder wie der Wolf, als ich sie anlächele und meinen Charme spielen lasse. Den ich durchaus besitze, aber nur selten einsetze, weil mir kaum je etwas so wichtig ist, um mir diese Mühe zu machen. Ich bin verblüfft, dass ich es nun tue. Aber so ist es. Weil ihre Frechheit eine Aufforderung dazu war.
»Hm«, antworte ich und setze mein
Weitere Kostenlose Bücher