If You Stay – Fuereinander bestimmt
und nehme einen Schluck von dem Wasser.
»Also schön. Warum hast du mich nicht gezwungen, über das zu sprechen, was passiert ist?«
Wenn wir uns schon unterhalten, dann können wir auch gleich zum Kern der Sache kommen.
Mein Vater starrt mich an und senkt dann seinen Blick.
»Weil es so leichter war. Ich habe dich zu einem Therapeuten gebracht, aber du wolltest nicht reden. Ich habe selbst versucht, mit dir darüber zu sprechen, aber du hast dich geweigert. Und dann bin ich zu der Einsicht gelangt, dass ich eigentlich gar nicht wissen wollte, was geschehen ist. Wenn es solche tiefen Wunden bei dir hinterlassen hatte, dann war ich mir nicht sicher, ob ich damit umgehen könnte. Also habe ich es nicht mehr länger versucht. Und dann teilte mir der Therapeut mit, dass du die Erinnerungen wahrscheinlich abgekapselt hast, und das schien das Beste zu sein.«
Ich nehme einen weiteren Schluck. Meine Zunge fühlt sich ganz dick an durch den Flüssigkeitsmangel.
»Haben sie ihn je erwischt?«
Ich krümme mich innerlich zusammen, als mein Vater den Kopf schüttelt. »Nein. Sie hatten ja keine Beschreibung des Täters. Keiner der Nachbarn hat etwas gesehen. Die Polizei hatte keinerlei Anhaltspunkte.«
Scheiße. Noch ein Grund mehr, ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich hätte ihnen eine Beschreibung liefern können.
»Was ist an diesem Tag geschehen?«, fragt mein Vater. »Ich muss es wissen. Du hattest Schmauchspuren an deinen Händen. Und du hattest diese Schnitte. Aber die Polizei konnte nicht ermitteln, was geschehen ist, außer dass deine Mutter nicht vergewaltigt wurde. Sie hatte Epithelzellen im Mund, aber keine Spur von Sperma. Die DNA -Probe ergab keine Übereinstimmung in der Polizeidatenbank. Ich weiß, dass es schwer ist, darüber nachzudenken oder darüber zu sprechen. Aber was hast du gesehen?«
Ich schließe die Augen und presse für einen Moment die Lider zusammen. Als ich sie wieder öffne, starrt mich mein Vater immer noch an und wartet auf eine Antwort.
»Ich habe Mom weinen hören. Ich fand sie im Schlafzimmer. Ein Kerl hielt ihr eine Pistole an die Schläfe. Er zwang sie, ihm einen zu blasen. Ich versuchte, ihr zu helfen, doch als ich es tat, bin ich gegen die Pistole gestoßen, und sie ging los. Mom ist tot, weil ich versucht habe, ihr zu helfen. Hätte ich es bleiben lassen, dann wäre sie heute noch am Leben.«
Mein Vater stößt einen leisen erstickten Laut aus, und ich versuche, den verdammten Kloß hinunterzuschlucken, der sich in meinem Hals gebildet hat. Er sieht mich an.
»Glaubst du wirklich, dass er sie am Leben gelassen hätte?«, fragt er schließlich. »Denk doch einmal darüber nach, Pax. Sie wusste, wie er aussah. Als er sagte, er hätte sie nicht getötet, da hat er gelogen.«
»Aber er hat mich am Leben gelassen«, entgegne ich. »Vielleicht hätte er es mit ihr genauso gemacht.«
Mein Vater schüttelt den Kopf. Seine Wangen sind gerötet. »Nein. Das hätte er nicht. Wahrscheinlich hat er es nicht fertiggebracht, kaltblütig ein Kind zu töten, und er war überzeugt, dass er dir eine so große Angst eingeflößt hatte, dass du den Mund halten würdest. Deine Mutter hatte nie eine Chance, Pax. Du hättest gar nichts tun können.«
Er wendet sich ab und blickt aus dem Fenster.
»Aber da ist etwas, das du jetzt tun könntest. Jetzt, wo du dich wieder erinnerst, solltest du mit mir kommen. Lass uns auf der Stelle nach Connecticut fliegen und uns mit dem Detective zusammensetzen, der den Fall damals bearbeitet hat. Du kannst ihm die Beschreibung geben. Wie hat der Kerl denn überhaupt ausgesehen?«
Ich spüre, wie es mir eiskalt den Rücken hinunterläuft, als ich mir das höhnisch grinsende Gesicht vorstelle. »Er war dünn, hatte einen grauen Pferdeschwanz und gelbe Zähne. Richtig gelbe Zähne. Und er trug ein blaugestreiftes Hemd.«
Mein Vater scheint wie erstarrt.
»Ich weiß, wer das ist! Das war unser Briefträger! Ich werde niemals diesen grauen Pferdeschwanz und diese schrecklichen Zähne vergessen. Los, Pax, pack eine Tasche. Wir fliegen nach Connecticut.«
»Der Briefträger?«, frage ich ungläubig. »An den kann ich mich gar nicht erinnern.«
»Wieso auch?«, entgegnet er. »Du warst ja erst sieben. Ich habe deine Mutter immer damit aufgezogen, dass er alberne Gründe finden würde, um die Post an der Tür abzugeben, anstatt sie in den Briefkasten zu stecken. Ich habe noch Scherze darüber gemacht, dass er auf sie stand. Wir haben darüber gelacht. Wir
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