Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)
Gegenwart? Was konnte dabei herauskommen, außer Zeitverschwendung und weiterer Verwirrung?
Florian Berger war inzwischen bis zum Casino Kleinwalsertal gekommen, wo er die Straße überqueren wollte, um auf der anderen Seite wieder zurückzukehren. Er blickte auf das Casino, Traum und Albtraum vieler Besucher. Jeder, der dort hineinging, glaubte an sein Glück. Manchem gelang ein Gewinn, die meisten aber kehrten bestimmt mit Verlusten zurück, dachte er. Wer sich in der Gewalt hatte, begrenzte die Summe, die er höchstens verspielen wollte, und verließ danach das Casino wieder. Manche aber spielten sich in einen Rausch, aus dem sie allein nicht mehr herausfanden. Als letzte Möglichkeit blieb, sich bei allen Casinos sperren zu lassen, damit die Versuchung gebannt war.
Auch Florian hatte schon mal daran gedacht, im Casino sein Glück zu versuchen, es jedoch in Anbetracht seines Polizistengehaltes bleiben lassen. Einmal hatte man ihn ins Casino gerufen, um einen rabiaten Verlierer an die frische Luft zu befördern. Er hatte sich später ein Abendessen im gemütlichen Casinorestaurant gegönnt, um wenigstens einmal diese Welt hautnah zu spüren.
Er trat an den Straßenrand und wartete eine Lücke in der vorbeifahrenden Autokolonne ab. Es war Feierabend, Rushhour im Kleinwalsertal. Als er endlich die Straße überqueren konnte, sah er auf der anderen Seite einen Mann, den er mitten im Gewimmel wiedererkannte: Radomir Palić. Auch der wollte die Straße überqueren, ließ es aber offensichtlich schnell bleiben, als er Berger bemerkte, und wandte sich hastig ab. Er verschwand in der Menge, bevor Berger auf der anderen Seite war. Florian versuchte ihm zu folgen, kam aber im Trubel der Passanten nicht schnell genug vorwärts und verlor Palić aus den Augen.
Palić? Der wurde doch gesucht! Was hatte der hier im Kleinwalsertal zu tun? Berger musste sofort seine Kollegen in Hirschegg verständigen und sie nach Palić fahnden lassen, außerdem musste er Wanner mitteilen, dass sich der Gesuchte hier in Riezlern aufhielt. Berger erledigte die beiden Anrufe und kehrte zu seinem Wagen zurück. Er hatte seine Kollegen angewiesen, an der alten Grenze die Ausfahrt aus dem Kleinwalsertal zu sperren und die Insassen der nordwärts fahrenden Kraftfahrzeuge zu kontrollieren. Aus der Sackgasse dieses Tales kam unkontrolliert niemand mehr mit einem Fahrzeug hinaus.
Ihm ging Palić nicht aus dem Sinn. Der verbrachte hier sicher nicht seinen Urlaub. Er war ja einer der Verdächtigen im Fall Brugger. War er deswegen hier? Hatte er im Tal noch Komplizen gehabt? Sie mussten den Burschen finden, und zwar möglichst schnell.
Eine Besprechung mit den Kollegen in Kempten wäre jetzt dringend nötig. Denn wenn sich Ergebnisse nur schleppend einstellten, war das persönliche Gespräch immer besser als ein Telefonat.
Florian fuhr langsam die Straße nordwärts durch den Ort. Er kam bis zur Abzweigung Schwendetobelbrücke, als er dort, einer Eingebung folgend, links abbog und über die Breitachschlucht fuhr. Kurze Zeit später stand er vor dem Haus des alten Pfarrers. Was zum Kuckuck soll ich ihn fragen?, überlegte er sich. Und in dem Moment sah er Aniser am Gartentor stehen, der zu ihm herüberblickte. Sein weißes Haar stach vom sonnengebräunten Gesicht ab, dessen Falten, so schien es, seit dem letzten Besuch noch tiefer geworden waren. Er verzog keine Miene, als Berger auf ihn zuging.
»Grüß Gott, Herr Pfarrer! … Schöner Tag heut, ned wahr?« Das war furchtbar geistreich, dachte Berger.
»Grüß dich der Herr, er möge dir Frieden schenken! Was führt Sie zu mir?« Unvermittelt wechselte er vom Du zum Sie.
»Ja, i komm grad in der Nähe vorbei und hab denkt, schaust mal zum Pfarrer Aniser, wie’s ihm so geht!« Was Besseres war ihm nicht eingefallen, und Berger sah fast schuldbewusst auf Aniser.
»Kommen Sie doch herein! Hier draußen gibt es viele Ohren.« Mit einem prüfenden Blick zum Hohen Ifen hinauf wandte sich der Pfarrer zur Haustür und ließ Berger eintreten. Er hatte die beiden schwarzen Punkte gesehen, die über dem Ifen kreisten.
In der Wohnstube bot er Berger Platz an und setzte sich selbst auf die Eckbank.
»Ich nehme an, Sie sind mit Ihren Ermittlungen noch nicht recht weitergekommen, oder?«, erkundigte er sich.
»Na ja, wie man’s nimmt. Sie könnten scho weiter sein, aber es ist halt ned einfach«, erwiderte Berger.
»Das weiß ich. Seid ihr meinem letzten Ratschlag gefolgt?«
»Wir stecken mittendrin.
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