Igor der Schreckliche
zart: „Merci, Mademoiselle!“
Hoffnungsvoll, bald von Igor zu lesen, und aufgeregt, was er ihr antworten würde, hüpft sie gut gelaunt nach Hause. Sie verbringt einen unterhaltsamen Abend mit Tante Matilda. Für ein paar Stunden ist Igor samt allen Vampiren aus ihrem Kopf verschwunden.
Kapitel 12
Igor unter Gruftarrest
„Halt! Wohin des Weges?“
Igor dreht sich um. „Mit Verlaub, Mutter, ich wollte an die frische Luft, um meinen Gedanken neuen Schwung zu verleihen. Ich habe endlose Stunden in meinem Zimmer verbracht und mein Kopf sehnt sich nach kurzweiliger Abwechslung.“
„Das geht nicht. Der Nachhilfelehrer kommt in zehn Minuten“, antwortet die Mutter.
„Mutter, ich bitte Sie! Gönnen Sie mir eine Pause.“
Die Mutter schüttelt energisch den Kopf. „Ein andermal. Geh in den Keller und hole dir eine Stärkung.“
Da Igor noch kein Blutsauger ist, ernährt er sich von Trockenblut, Blutplättchen und gezapftem Frischblut, das kühl gelagert werden muss. Er schnappt sich ein Reagenzglas und kippt den Inhalt runter. „Der Mensch muss achtzig gewesen sein. Mindestens!“ Igor verzieht den Mund. Junges Blut schmeckt deutlich besser!
Er setzt sich auf einen gebrauchten, defekten Sarg und ist froh über das winzige Päuschen. Wann würde er es zum Ausgang schaffen? Ob Lara seine Nachricht bekommen hat? Und ob sie sich von dem Schock, ihn am Fenster gesehen zu haben, erholt hat? Ob sie weiß, dass er der Junge ist, der am Fenster war? Hoffentlich hat sie ihm geschrieben! Um das herauszufinden, muss er zu Irmas Grab. Oder zumindest Onkel Temerar bitten, in das Tagebuch zu gucken. Beides, das Ausbüxen und ein Treffen mit Onkel Temerar, ist im Moment aussichtslos. Tief seufzend wetzt Igor auf dem Sarg hin und her. Wegen ein paar schlechter Noten und ein paar Mahnungen machen seine Eltern ein Trara, als würde Transsilvanien untergehen. Und all die Aufregung wegen dieser beschissenen (das Wort hat er von Onkel Temerar!) Blutsaugerprüfung!
Igor hält kurz inne. Seltsam, dass sich seine Eltern herablassen, einen Nachhilfelehrer zu engagieren! Einen Nachhilfelehrer! Weil das Kind zu doof ist! Igor schüttelt den Kopf. Das Schweigegeld war gewiss nicht wenig. Nachhilfe ziemt sich in Transsilvanien nicht. Erst recht nicht in angesehenen Familien!
„Warum bin ich nicht Onkel Temerars Sohn? Alles wäre unkompliziert! Er versteht mich! Wir ähneln uns in vielem! Und er ist stolz auf mich!“ Gerade diese letzten Worte zaubern Igor ein Lächeln auf das Gesicht.
Igor vernimmt das Klopfen an der Grufttür. Sein Nachhilfelehrer ist da! Igor geht nach oben, begrüßt ihn und verschwindet mit ihm im Salon. Die nächsten Stunden kommt er nicht mehr heraus.
Kapitel 13
Donnerwetter
„Lara, du freust dich gar nicht! Wir haben gewonnen! Du hast drei Tore geschossen und das dritte war für unseren Sieg!“ Bille stupst Lara an. Sie reagiert nicht. In Gedanken ist sie bei Igor. Jeden Tag war Lara auf dem Friedhof und hat geschaut, ob es Post von ihm gab. Nichts. Wollte ihr tatsächlich ein Halbstarker Angst einjagen oder sich einen total bekloppten Spaß erlauben?
„Ist mir die ganze Zeit aufgefallen.“
Erst, als Bille schweigt, sieht Lara sie an.
„Was?“, fragt sie.
Bille stellt sich vor Lara, packt sie mit beiden Händen an den Schultern und rüttelt sie. „Lara, was ist los mit dir?“
„Nichts!“ Lara kann ihr unmöglich von Igor erzählen.
„Das glaube ich dir nicht!“
Lara schweigt.
„Komm. Ich lade dich auf ein Eis ein. Wir setzen uns an den Fluss, an unseren Geheimplatz. Da hört uns niemand. Keine Widerrede!“
Bille schleppt sie in den nächsten Supermarkt, zahlt das Eis und Lara folgt ihr schweigend. Währenddessen überlegt Lara fieberhaft, ob sie Bille reinen Wein einschenken kann und soll. Wem, wenn nicht Bille?
Die beiden sitzen am Ufer, ziehen die Schuhe aus und kühlen die Füße im Wasser. Bille guckt Lara an.
Lara seufzt. „Okay. Bevor du irgendetwas kommentierst, hörst du dir erst alles an. Du wirst denken, dass ich spinne, verrückt bin, du wirst mir nicht glauben und davor habe ich Angst, weil du meine einzige Vertraute bist.“
Bille stimmt zu.
Lara schildert haarklein jedes Detail: von den kreisförmigen Spuren um ein Grab herum. Von dem Jungen vor ihrem Fenster und von den zwei Gestalten auf dem Friedhof, von denen am nächsten Tag keine Spuren zu entdecken waren. Sie erzählt Bille die Geschichte ihres Großvaters. „Ich weiß, das klingt absurd. Aber Opa hätte
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