Igor der Schreckliche
Hoffnung, das Tagebuch zu sehen. Nichts.
Lara springt auf. Bestimmt hat es Mama. Mamas sind grundsätzlich neugierig. Und Mama ist sowieso gegen ein Tagebuch. Und gegen den Friedhof. Als Lara nach Hause flitzen will, um Mama richtig auszuschimpfen, fällt ihr etwas ein: Mama kann nicht wissen, dass sie ihr Tagebuch in Irmis Grab versteckt.
Traurig lässt sie sich vor das Grab plumpsen. „Was mach ich bloß? Wo ist mein Tagebuch?“ Und dann beginnt Lara, vor dem Grab zu erzählen: was passiert ist und dass sie dringend eine geniale Idee braucht, damit sie nicht mehr in diese saudoofe Tutu-Stunde muss. Und mit Bille Fußballspielen kann. Plötzlich vernimmt sie ein komisches Geräusch. Lara horcht auf. Nichts.
Es dämmert. Ist es schon so spät?
Wieder dieses Geräusch, das klingt, als sängen ein heulender Wolf und ein winselnder Hund ein fürchterliches Duett. Lara fröstelt es. Sie steht auf, klopft die Erde von der Jeans. Da! Schon wieder! Ein kalter Schauer läuft ihr über den Rücken. Sie sollte sich beeilen. Bloß weg hier!
„Papperlapapp! Das ist der Wind“, beruhigt sich Lara. In dieser Gegend gibt es keine Wölfe und vor Hunden hat sie keine Angst. Mutig guckt sie sich um. Niemand ist zu sehen. Kein Mensch, kein Wolf, kein Hund.
„Lara, du kleiner Angsthase“, neckt sie sich, kichert und hört abrupt damit auf, als sie ein Knarzen hinter sich vernimmt.
Bewegt sich der Grabstein?
Panik erfasst sie. Lara rennt um ihr Leben. Sie stolpert über ihre eigenen Beine, springt sofort auf und rast weiter. Sie reißt die Haustüre auf, nimmt zwei Treppenstufen auf einmal. Sie knallt ihre Zimmertüre hinter sich zu, schließt ab, sackt zu Boden und hechelt wie ein gejagter Hund.
Als sie sich ausreichend beruhigt hat, geht sie zum Fenster. Sie versteckt sich hinter dem Vorhang und lugt mit einem Auge zum Friedhof hinauf.
Es ist finster, aber der Mond gibt dem Friedhof genügend Licht. Unheimlich sieht das aus, richtig unheimlich.
Lara sieht hinauf. Sie zieht ihre Augen zusammen. Ist da jemand? Lara nimmt ihr Fernglas. Ja! Da ist jemand. Erschrocken lässt sie das Fernglas fallen. Sie hebt es auf. Die Gläser sind kaputt.
Mist.
Lara schluckt. Das war das Fernglas von Opa. Erneut blickt sie aus dem Fenster und kann nicht fassen, was sie soeben gesehen hat.
Ihr Herz fährt Achterbahn. Da war eine Gestalt. „Sie hat mich angestarrt!“
Kapitel 7
Igor und das
blaue Menschenbuch
Der Sargdeckel knarzt, als Igor ihn hochhebt. Er legt sich hinein und zieht das kuriose Fundstück hervor. Sachte gleitet sein rechter Zeigefinger über das Buch. An der Seite hat es einen Verschluss, der kein Schloss trägt, sondern ein schmutziges, schmales Band, das zu einer Schleife gebunden ist.
Welcher Vampir würde am Ausgang zur Menschenwelt ein Buch verstecken? Das macht keinen Sinn. Außer der Vampir wollte, dass man es findet. Weil es eine wichtige oder geheime Information enthält. Und ausgerechnet er, Igor, findet es und ist hinterher in aller Munde. Igor, der berühmteste Vampir von Transsilvanien – Graf Dracula ausgenommen. Dieses Bild zaubert ein Lächeln auf seine Lippen. Seine Eltern hätten keinen Grund mehr zu schimpfen, zu meckern, zu verbieten, zu bestrafen!
Der Einband des Buches ist blau. In Transsilvanien gibt es keine blauen Bücher. Zumindest hat Igor noch keines gesehen. Daraus schlussfolgert er, dass das Buch aus der Menschenwelt kommen muss, obwohl diese Theorie einen Haken hat. Welcher Mensch würde auf diesem Friedhof ein Buch verstecken? Mal angenommen, der Mensch versteckt es, wenn Ivan aus dem Grab steigt. Der Mensch würde spätestens dann tot umfallen, nachdem Ivan seinen Hunger gestillt hätte. Er muss es in jedem Fall Onkel Temerar zeigen! Igor atmet tief durch. Obwohl er neugierig ist, lässt er sich Zeit.
„Igor?“ Die Mutter steht vor seinem Zimmer. – Vampire haben Zimmer, sogar mit Türen! Damit man sie besser einsperren kann, wenn sie ungehorsam sind! –
Schnell schiebt er das Buch unter die Matratze – Vampire wollen bequem schlafen! –, legt sich hin und gibt vor zu schlafen.
„Igor?“, ertönt es erneut und die Tür öffnet sich quietschend. Mutter bleibt neben ihm stehen und sieht ihn missbilligend an. „Igor, dein Verhalten war äußert unpassend. Ebenso dein Tonfall. Diesen will ich nicht noch einmal hören. Hast du mich verstanden?“
Igor blickt sie finster an.
„Ob du mich verstanden hast?“
Igor nickt leicht.
„Und merke dir eines: Das Ende eines
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