Ihr Auftritt, Mr. Pringle!
Marmelade
mischte sich mit gesprenkeltem Tweedgewebe. «Sie können nicht nein sagen! Ich
meine, ich muß heute morgen auch noch diese Story um Kater Ginger Tom klären.
Jesus! Ist es schon so spät?»
Sie schob den Rest des
Frühstücks in den Mund, eilte in den Korridor und zog ihren Mantel an. Mr.
Pringle lief ihr nach. Sie beachtete seine Proteste nicht und drückte ihm einen
Stadtplan in die Hand. «Die Studios sind da, in der Charlotte Street, okay? Die
haben ein total gutes Parkhaus abgerissen, um sie zu bauen. So ein verdammter
Vandalismus.»
Mrs. Bignall stand im
Eßzimmereingang. «Darf ich mit Mr. Pringle gehen, Petronella? Ich würde gern
einen Blick auf Sie wissen schon wen werfen.» Mrs. Bignall hatte eine Schwäche
für gekrönte Häupter. Mr. Pringle erkannte, daß Petronella der Name der jungen
Dame vom Fernsehen war. «Ich muß vorher über die genaue Art der Fragen
sprechen», rief er besorgt, als sie die Treppe hinunterlief. Petronella nickte
und öffnete das Vorhängeschloß an ihrem Fahrrad. Jetzt, da sie sich ein Opfer
für die Abendsendung gesichert hatte, würde sie allem zustimmen. Sie war es ja
nicht, die das Interview führte.
«Zwei Minuten, riesig viel
Zeit, denke ich», rief sie aufmunternd. «Ich muß mich beeilen. Eine kleine alte
Dame hat einem Tierarzt zehntausend Pfund Sterling hinterlassen, damit er sich
um ihre Mieze kümmert, und der will das Tier umbringen...»
«Aber was ist mit...» begann
Mr. Pringle.
«Vielleicht werden es auch nur
eine Minute und dreißig», schrie sie, ihr Laura-Ashley-Petticoat geriet in die
Speichen, «aber Ihnen steht trotzdem das volle Honorar zu, keine Angst.» Und
weg war sie.
Er ging wieder ins Eßzimmer.
Mrs. Pugh stellte einen Riesenteller mit Speck, Bratwürstchen und Spiegeleiern
vor ihn auf den Tisch.
«Einer meiner Gäste wird im
Fernsehen auftreten», murmelte sie ehrfurchtsvoll. Da es keine Galgenfrist zu
geben schien, machte Mr. Pringle sich über sein herzhaftes Frühstück her.
Montag, 2. April 1984, 17.57:55
Uhr
Sein Blick wanderte das zweite
Mal über den grünen Sendeplan. Mr. Pringle fühlte sich gekränkt. Seinen
Programmpunkt sah er überhaupt nicht mehr. Auf der rosa Version war er noch an
herausragender Stelle aufgeführt worden:
5 (i) Zusammenfassung
Innenpolitik Steueränderungen, Studio live — G. D. H. Pringle
Er hatte es nicht ganz
verstanden, aber es sah eindrucksvoll aus. Obwohl er nervös war, schwoll Mr.
Pringle die Brust vor Stolz. Einkommensteuern waren wichtig. Wenn die Leute das
nur verstehen könnten — aber er konnte es erläutern. Erstmals in seinem Leben
hatte er Gelegenheit, den Zuschauern zu sagen, warum. Zwei Minuten oder
vielleicht auch nur eine Minute und dreißig reichten dafür bei weitem nicht
aus.
Auf der pfirsichfarbenen
Version glaubte er, eine leichte Degradierung ausmachen zu können:
9 Steuern/live Pringle
Auf der blauen hatte er seine
Position gehalten. Jetzt schien er spurlos verschwunden zu sein. Dann entdeckte
er den Punkt ganz unten am Papierrand:
Reserve: Ginger Tom/Pringle.
Petronella hatte nicht erwähnt,
daß es ein geteilter Programmpunkt sein könnte. Er hielt unruhig Ausschau nach
einem Katzenkorb.
Aus dem Lautsprecher ertönte
das herzzerreißende «Zwei Minuten bis zur Sendung, zwei Minuten». Im Grünen
Zimmer begann der Studioassistent, seine Truppe aufzustellen. «Darf ich die
Damen und Herren vom Programmpunkt eins ins Studio bitten. Die Damen und Herren
für Programmpunkt eins.» Räuspern, allgemeines Ordnen der Kleidung, dann
folgten ihm die wenigen Auserwählten, stolperten über Kabel und setzten sich
auf die blanken neuen Stühle.
Montag, 2. April 1984, 17.58:00
Uhr
Das Nachrichtenstudio war
völlig funktionell, weil die leidigen Architekten hier ihre Hand nicht im Spiel
gehabt hatten. Beinahe hätten sie auch diesen Raum verunstaltet, aber zwei der
Regisseure, Jack Kemp und George Aspinall, hatten die Situation gerettet. Sie
kamen von einer Mittagssitzung im Pickled Walnut zurück, als das
vorgesehene Modell erstmals in der Vorhalle des Lagerhauses zu sehen war. Der
Chefarchitekt, jetzt selbsternannter Leiter für angewandte Kreativität, legte
letzte Hand daran und stellte kleine Pappfiguren als Repräsentanten der
Belegschaft auf ihre Plätze.
George hockte sich auf seine
vier Buchstaben, um das Modell zu mustern. Niemand wußte, warum man George die
Regie für das landwirtschaftliche Tagebuch gegeben hatte, aber er führte
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