Ihr Freund, der Ghoul
einfachen Bett einen Kasten. Er war schon geöffnet worden, wahrscheinlich hatten es die Kollegen getan. Ich schaute nach, sah einige Geldscheine über einer grauen Kladde liegen. Sie interessierte mich.
Es war eine Art Tagebuch und musste sehr alt sein, denn die Schrift sah sehr verblichen aus, zudem war das Papier bereits vergilbt. Als ich auf den Deckel schaute, war mir alles klar. Das Tagebuch gehörte nicht der Tochter, sondern der Mutter. Die krakelige Schrift war als Martha Bennett zu entziffern. Als ich die Kladde aufschlug, fiel mir auf, dass einige Seiten herausgerissen waren.
»Wir sind zu spät gekommen«, sagte Suko.
Trotzdem wollte ich einen Blick in die Aufzeichnungen werfen und setzte mich an den Tisch. Suko schaltete die alte Leuchte ein, so dass ich wenigstens etwas Licht bekam, denn durch die schmutzige Scheibe fiel nur die Trübheit dieses Dezembermorgens.
Sehr genau schaute ich mir die einzelnen Kapitel an. Es stand nicht viel auf einer Seite, weil die Schrift der Frau doch sehr groß und unregelmäßig gewesen war, aber als ich die Worte las, konnte ich mir sehr schnell ein Bild vom Leben einer Person machen, die es verdammt nicht leicht gehabt hatte.
Martha Bennett hatte schon immer zu den Ausgestoßenen gehört. Dann war der Krieg gekommen, und damals musste ihre Freundschaft zu dem Ghoul bereits begonnen haben. Wo sie ihn kennen gelernt hatte, ging aus dem Tagebuch nicht mehr hervor. Die entsprechenden Seiten waren entfernt worden.
Ich blätterte bis zum Schluß durch und las auch die letzten Sätze. Diesmal laut, Suko hörte mit. »So wahr sich mein Leben dem Ende zuneigt, ich werde vergehen, aber meine Gedanken und meine Ideen bleiben. Es gibt eine Tochter, und es gibt auch ihn noch, der vieles überstanden hat und noch vieles überstehen wird…«
»Das war's«, murmelte ich.
»Mit dem letzten Satz wird sie wohl den Ghoul angesprochen haben, meine ich.«
»Sicher.«
»Nun ja, du hast ihn gesehen, er hat überlebt und ist auch nicht hervorgekrochen, als Xorron seine Getreuen um sich versammeln wollte. Die Bindung an diese Familie Bennett muss ungemein stark gewesen sein.«
»Damit wäre auch die Tochter aus dem Schneider.«
Wir hörten das Quietschen der Wohnungstür gleichzeitig und fuhren herum. Ein junger Mann stand auf der Schwelle. Seine Haltung konnte man als aggressiv bezeichnen. Er sah so aus, als wollte er sich jeden Augenblick auf uns stürzen.
»Guten Tag«, sagte ich.
»Was suchen Sie hier?« fuhr er uns an. »Die Wohnung war von der Polizei versiegelt.«
»Das wissen wir.« Ich griff in die Tasche und holte den Ausweis hervor.
»Wollen Sie ihn sich ansehen?«
»Sind Sie ein Bulle?«
»Nein, ein Panther.«
Er verzog den Mund, kam aber näher. Ich gab ihm das Dokument, er las und nickte. »Sogar vom Yard.«
»Richtig.«
»Und was suchen Sie hier?«
»Zunächst einmal möchte ich Ihren Namen wissen, junger Mann.«
»Ich heiße Dustin Gray.«
Er sah mir nicht aus wie ein Schläger. Deshalb blieb ich freundlich.
»Haben Sie Kontakt zu Eve Bennett?«
Er ließ sich auf einen zweiten Stuhl nieder und kratzte mit dem Daumen über die Tischplatte. »Nein, aber hätte ich gern. Ich wollte immer mit ihr gehen, aber sie war so komisch.«
»Inwiefern?«
»Sie hat sich immer geweigert.«
»Ging sie mit einem anderen?«
»Nein, das hätte ich gewusst. Sie wollte jedenfalls nicht. Manchmal war sie richtig komisch. Da wusste man bei ihr nicht, ob man heiß oder kalt war. Sie konnte furchtbar nett sein, aber auch abstoßend. Praktisch ein Widerspruch in sich.«
»Dann muss sie so etwas wie ein Geheimnis mit sich getragen haben, über das sie nicht reden wollte.«
»Das habe ich mir auch gedacht.«
Ich deutete auf den Käfig. »Wie stehen Sie denn zu ihrem Hobby, Mr. Gray?«
Er schüttelte sich. »Ich fand es eklig, Wie gesagt, sie war nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Oft ging sie auch allein und mitten in der Nacht weg. Ich wollte sie einmal begleiten, da hat sie ein furchtbares Theater gemacht.«
»Kannten Sie das Ziel?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht immer. Aber oftmals hat sie nach ihrer Rückkehr in den Morgenstunden so komisch gerochen.«
»Wonach denn?«
»Keine Ahnung.«
»Vielleicht nach Moder oder Friedhof?« erkundigte sich Suko. Er blickte den Inspektor an. In seine Augen trat ein erstaunter Ausdruck.
»Ja, das stimmt.«
Mein Freund blieb weiter am Ball. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, so kannten Sie hin und wieder das Ziel
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