Ihr letzter Tanz
ein absoluter Ausnahmefall. So etwas habe ich noch nie miterlebt. Natürlich sind wir alle erschüttert, aber ein Wettbewerb ist normalerweise keine besonders gefährliche Angelegenheit.“ Sie wollte mehr sagen, hielt sich aber zurück. Schließlich wollte sie nicht wie ein Trottel dastehen. Und ganz bestimmt würde sie nicht über ihr Unbehagen mit einem Mann reden, den sie erst seit ein paar Minuten kannte, auch wenn es sich bei ihm um Dougs Bruder handelte. Doug war ein Schüler, sogar ein viel versprechender Schüler, aber er war niemand, dem sie vertrauliche Informationen geben würde. „Ich denke, Bootfahren und Tauchen dürften weitaus gefährlicher sein als Tanzen, Mr. O’Casey.“
„Oh, ich bin nicht besorgt“, gab er zurück. „Nur … na ja, mir tut es Leid um die Frau. Und ich bin neugierig.“
Es war kein Wunder, wenn die Menschen bestürzt waren und Anteil nahmen. In der Welt des Tanzes war Lara die Königin gewesen. Auch wenn jemand, der sich für andere Dinge interessierte, nicht ihren Namen kennen musste – so wie Shannon im Gegenzug nicht wusste, wie der führende NASCAR-Rennfahrer hieß –, machte ein solcher Tod dennoch Schlagzeilen. Und in Laras Fall dürften unterschiedliche Fernsehsender darüber berichtet haben, da Kamerateams die Veranstaltung aufgenommen hatten.
Nein, es war wirklich kein Wunder, dass die Leute wissen wollten, was geschehen war. Sie verstand bloß nicht, warum sie es als so ärgerlich empfand, diesem Mann die Situation zu erklären.
„Wir stehen alle vor einem Rätsel“, sagte sie dann aber mit ruhiger Stimme. „Lara Trudeau war eine erstaunliche Frau. Sie trank keinen Alkohol, nahm keine Tabletten, weder ärztlich verschriebene noch frei erhältliche. Was an dem Tag geschehen ist, weiß hier keiner. Sie war phantastisch, und sie wird uns fehlen – sie und ihr Talent. Aber Tanzen ist alles andere als gefährlich. Es ist eine körperliche Betätigung, und wir haben sogar Herzpatienten hier, die als therapeutische Maßnahme tanzen. Es ist gefährlicher, sich zu Hause aufs Sofa zu setzen, um fernzusehen.“ Mit einem Mal wurde sie wütend, so als würde sie persönlich angegriffen. Warum, war ihr nicht klar. Sie war fast im Begriff, aufzustehen und ihm zu sagen, sie werde Doug das Geld für den Schnupperkurs erstatten. In dem Moment aber sagte er: „,Rhythm‘.“
„Wie?“
„Ich glaube, ich hatte mich vorhin geirrt. Ich möchte in einen Club wie das
Suede
hier im Haus gehen können und nicht wie ein völliger Trottel dastehen müssen. Salsa, nicht wahr?“
„In vielen Clubs dieser Art wird Salsa gespielt. Aber auch Mambo, Samba, Merengue … Dienstagabends findet immer eine Swingparty statt.“
„Aber auf einer Hochzeit wird Walzer getanzt, nicht wahr?“ Er machte den Eindruck, als überlege er wirklich gründlich, was er machen sollte.
„Ja.“
„Muss ich bestimmte Tänze auswählen?“
„Nein, aber es wäre praktisch, wenn ich weiß, wo Sie anfangen wollen.“
„Wo fängt man denn normalerweise an?“
Shannon erhob sich. „Normalerweise am Anfang. Kommen Sie. Wenn Sie keine bestimmten Vorlieben haben, dann machen wir es auf meine Art.“
„Sie werden meine Lehrerin sein?“ Er war überrascht, doch sie glaubte zu spüren, dass es ihm nicht gefiel.
„Ja. Gibt es da ein Problem?“
„Nein, es ist nur … Doug sagte, Sie übernehmen keine neuen Schüler.“
„Normalerweise hat er damit Recht. Aber es läuft so – vorausgesetzt, es gibt keine ernsthaften Schwierigkeiten –, dass der Lehrer, der einen Anfänger annimmt, ihn auch auf Dauer unterrichtet.“ Sie hatte ihn gar nicht unter ihre Fittiche nehmen wollen, aber jetzt … jetzt wollte sie ihn nicht wieder hergeben. Er hatte irgendetwas an sich, das …
Eine Stimme in ihrem Kopf flüsterte ihr zu, er sei der interessanteste Mann, dem sie seit langem begegnet war. Der bestaussehendste, sinnlichste Mann.
Ja, das alles hatte sie auf den ersten Blick zur Kenntnis genommen.
Doch darum ging es nicht. Es war nicht sein Aussehen, so eindrucksvoll das auch sein mochte.
Da war noch etwas anderes.
Es war lächerlich, dass sie so paranoid empfand, doch dieser Mann musste unter Beobachtung bleiben. Dieses Gefühl, auf der Hut zu sein, wollte sie einfach nicht loslassen.
Vielleicht …, ging es ihr eine halbe Stunde später durch den Kopf … vielleicht hatte sie in letzter Zeit einfach nicht mehr oft genug Unterricht gegeben. Vielleicht konnte sie auch bloß nicht Unterricht erteilen
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