Ihr letzter Tanz
mir fertig sind.“
Shannon hasste es, dass sie sich in diesem Moment so restlos glücklich fühlte.
Als Quinn aufwachte, hörte er als Erstes die Stimmen aus dem Fernseher, dann nahm er durch die geschlossenen Lider das helle Licht wahr, das durch das Fenster hinter ihm in den Raum fiel. Es war ein sanftes Erwachen. Er öffnete nur die Augen ein wenig, bewegte sich aber nicht.
Ihm wurde klar, dass er im Sitzen eingeschlafen und sein Kopf zur Seite gekippt war – keine gemütliche Position. In den nächsten Stunden würde er mit Schmerzen kämpfen müssen. Shannon befand sich neben ihm, hatte den Kopf in seinen Schoß gelegt, die Knie angezogen und die Arme um ein großes Kissen geschlungen. Goldene Haarsträhnen lagen auf seiner Hose ausgebreitet, und die Wärme ihres Körpers an seinem war fesselnd und erregend zugleich. Doch davon abgesehen, weckte ihre Nähe nostalgische Erinnerungen. Er musste zurückdenken an eine Zeit, in der ihm Leidenschaft und Zuneigung zugeflogen waren, er aber davon nichts wahrgenommen hatte, weil er zu sehr mit seinem Job beschäftigt gewesen war. Und selbst als ihm alles entglitten war, hatte er davon kaum Notiz genommen, da er bereits zu abgestumpft gewesen war. In den Wochen und Monaten, die sich anschlossen, waren ihm kurze Affären mit Frauen genug gewesen. Das taube Gefühl, das von ihm Besitz ergriffen hatte, wollte sich nicht abschütteln lassen. Er war wie mechanisch durchs Leben gegangen, immer verfolgt von der Frage, ob er seine Menschlichkeit, seine Bedürfnisse und die Fähigkeit verloren hatte, sich einfach zu amüsieren. Und dann war Nell Durken tot aufgefunden worden. Wut und Ohnmacht hatten die Taubheit durchdrungen, und er hatte begonnen, jeden Aspekt des Lebens in Frage zu stellen.
Jetzt war Shannon Mackay in sein Leben getreten.
Er hasste den Gedanken, sie zu bewegen. Der Anblick ihrer Hand, die auf seinem Bein lag, ihre gepflegten Finger, die lackierten Nägel, die zarte Haut, das alles war wie ein frischer Atemzug. Ihre Wärme war genug, um in ihm den Wunsch zu wecken, sich nicht von der Stelle zu rühren und die Empfindungen einfach nur zu genießen. Es war eine beiläufige und intime Nähe, wie er sie lange nicht mehr gespürt hatte. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass ihm dies überhaupt gefehlt, dass sich sein Körper früher einmal danach gesehnt hatte.
Ihr würde es ganz sicher nicht gefallen, dass sie beide eingeschlafen waren und im Grunde genommen die Nacht gemeinsam verbracht hatten.
Schließlich stand er ganz behutsam auf. Sie regte sich leicht, als er sich bewegte, und versuchte, die gleiche bequeme Haltung wieder einzunehmen. Schnell legte er ihr ein Kissen unter den Kopf und zog sich weiter zurück. Der Spitzenbesatz ihres Nachthemds rahmte ihr Kinn ein, und die Sonne ließ ihr auf dem Kissen ausgebreitetes Haar wie einen Strahlenkranz leuchten. Der Stoff des Nachthemds war dünn und schmiegte sich eng an ihren durchtrainierten Körper, und er ließ ihre Kurven durchscheinen. Sie war von einer Reinheit erfüllt, die sie noch sinnlicher und verwundbarer erscheinen ließ.
Es wurde Zeit für ihn, aufzubrechen.
Er ging durchs Zimmer, fand seine Jacke, die er in eine Ecke gelegt hatte, schaltete den Fernseher aus und lief durch die Küche Richtung Haustür. Sein Blick fiel auf einen Notizblock und er schrieb ihr rasch ein paar Zeilen. „Danke für Popcorn, Tee und Film. Ich habe abgeschlossen. Quinn.“
Leise ging er zur Tür und zog sie so zu, dass man sie von außen nicht öffnen konnte. Nachdem er sich noch zweimal davon überzeugt hatte, dass das Schloss auch wirklich eingeschnappt war, begab er sich zu seinem Wagen und fuhr ab.
Auf dem Friedhof war es noch voller als tags zuvor im Beerdigungsinstitut. Es schien so, als sei die halbe Tanzwelt angereist, um Lara das letzte Geleit zu geben: Tanzschüler, Freunde, Kollegen und Ex-Liebhaber. Und wieder einmal waren Journalisten und Kamerateams ebenso in Scharen gekommen wie die Schaulustigen.
Shannon saß gleich neben Gordon auf einem der Klappstühle, die auf dem Rasenstück vor dem Sarg aufgestellt worden waren. Während der Geistliche über das Leben auf Erden und das ewige Leben sprach, senkte sie den Kopf und merkte, wie ihre Gedanken abzuschweifen begannen. Es war eine Schande, dass so viele Menschen zur Beerdigung gekommen waren. Die meisten von ihnen waren so rücksichtslos und gierig darauf, eine Prominentenbeerdigung aus nächster Nähe sehen zu können, dass sie einfach alles
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